Olli Dürr Vermischtes Hohn und Spott für Container-Taucher in Bremen

Hohn und Spott für Container-Taucher in Bremen

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In Bremen wurde ein Mann wiederholt beim „Containertauchen“ erwischt. Er steckte in einem Recycling-Container fest, nur noch die Beine schauten raus. Die Polizei mussten den „Wertstoffwühler“ retten. Hohn und Spott waren dem „Ganoven“ sicher.

Fast keine Infos über den Mann – Dennoch als Ganove „enttarnt“

Recycling

Wer da was rausholt ist ein Dieb
Bild: CC0 1.0 Universell

Anfang Januar 2016 fischte die Polizei in Bremen einen 52-jährigen Mann aus einem Recycling-Container für Elektronik-Schrott. Er steckte fest und konnte nur noch mit der Hilfe Dritter befreit werden. Wie Münchner Merkur berichtete, gab der Mann an, lediglich das Ladekabel eines noch funktionierenden Notebooks versehentlich mit weggeworfen zu haben. Er wollte das Ladekabel wieder aus dem Container fischen. Die Polizei glaubte seinen Worten und ließen ihn ohne Anzeige wegen „Diebstahls“ davonkommen.

Am Sonntag bot sich der Polizei in Bremen ein fast identisches Bild. Ein Recycling-Container für Elektronik-Abfälle und eine Klappe mit zwei herausragenden Beinen. Der gleiche 52-jährige Mann. Er steckte abermals kopfüber im Container. Als Grund wollte er abermals ein versehentlich weggeworfenes Ladekabel anbringen. Dieses Mal sprachen die Uniformierten einen Platzverweis aus und schrieben eine Anzeige wegen Verdachts des versuchten Diebstahls. Der Münchner Merkur brachte abschließend das Fazit der Polizei an: „Lügen haben kurze Beine“.

Spot und Hohn für einen „gewöhnlichen Ganoven“

Zugegeben. Das Bild und die Situation bieten eine gewisse Komik. Während der Bericht noch neutral über den Vorgang berichtet, aber auf die Hintergründe des „Täters“ nicht eingeht, halten so manche Leser bei ihren Kommentaren mit „Spot und Hohn“ nicht zurück.

Der User „Lauter Irre“ schrieb:„Dieses Land verliert langsam aber sicher den Verstand!“

Der User „Quelle Oma“ meinte zum „Versehen“ im Januar: „Und das alles um 10-15 Euro zu sparen. *kopfschüttel*
Allerdings hätte ich gerne das Gesicht der Polizisten gesehen und wäre nach dem Einsatz auch gerne „Mäuschen“ beim Berichtschreiben auf der Inspektion gewesen. *grins*“.

„Quelle Oma“ brachte zum zweiten Erwischen des 52-jährigen Mannes an: „Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie man den armen Mann bedauert hat, weil so ein Ladekabel ja unbezahlbar wäre und ich nicht so einen Kommentar schreiben sollte, weil der arme Mann nicht das Geld für ein neues Ladekabel hätte. Derweilen ist es nur ein stinknormaler Gauner, der kostenlos an Ersatzteile rankommen will.“

Was weiß man über den Mann?

Die Informationen über den „Ganoven“ sind rar. Er ist 52 Jahre alt, fährt Fahrrad und trägt bei seinen zwei „Untaten“ in Bremen zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Das sind die einzigen gesicherten Informationen, die aus dem Bericht hervorgehen. Der Mann kommt vermutlich selbst aus Bremen, denn große Strecken mit dem Fahrrad für das „Entsorgen“ von Elektronikschrott dürfte kaum jemand zurücklegen. Dann doch vermutlich eher kurze Strecken für das Fischen von evtl. noch Brauchbaren aus den „Entsorgungs-Containern“.

Was könnte denn für den Mann evtl. zutreffend sein?

Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ist der fahrradfahrende 52-jährige Mann kein Vermögender, der aus Langeweile nichts besseres zu tun hat, als sein Kopf in Recycling-Container zu stecken. Da er für den Abtransport größerer Beute auf ein Auto verzichtet, bliebe der „Gelegenheitsdieb besonders großem Pech“ oder schlicht die Armut.

Armut ist in Bremen keine Seltenheit

Bremen gehört im Bezug auf die sog. „Armutsgefährdung“ für Menschen in allen Altersgruppen zu den „ärmsten“ Gegenden in der Bundesrepublik. Fast ein Drittel aller Kinder unter 15 Jahren bezog zum Stand Ende 2015 in Bremen Leistungen aus Hartz-IV (Spiegelbericht). Wo man arme Kinder antrifft, sind automatisch auch verarmte Eltern bzw. Elternteile anzutreffen. Die Arbeitslosenzahlen sowie der Anspruch auf Grundsicherung im Alter sind in Bremen ebenfalls überdurchschnittlich hoch.

Ein Ladekabel für „lächerliche“ 10-15 Euro entspricht rund einen halben Monat des Anteils für „Einrichtungsgegenstände, Möbel und Haushaltsgeräte“. Lt. ALG II Regelsatzberechnung 2015 standen dem Empfänger anteilig dafür 30,24 Euro pro Monat zu. Übrigens: Für Bildung sieht die Bundesregierung den monatlichen Betrag von 1,52 Euro (bzw. 5 Cent/Tag) als ausreichend an.

Es liegt also alles andere als Fern, dass es sich mit dem 52-jährigen Mann um einen Arbeitslosen handelt, der von Hartz-IV abhängig ist.

Einschlägige Gazetten wie u.a. die Springer-Abteilung setzten sehr viel Energie ein, um die Empfänger von Hartz-IV als „Schmarozer, Parasiten, Trickser, Faule und asoziales Gesindel“ abzustempeln. Das (Schmier-) Blatt suggerierte den Lesern mit einer ganzen Reihe von Hetz-Berichten, dass es sich mit den Hartz-IV-Empfänger um „Trickbetrüger und Absahner“ handelte. Man müsse sogar Anstrengungen unternehmen, um die Leistungen für dieses „faule Pack“ noch weiter zu streichen.
(Beispiel 1, Beispiel 2, Beispiel 3, Beispiel 4)
Das Ausspielen der Armen gegen noch Ärmere blieb nicht erfolglos, wie an so manchen (überheblichen) Kommentaren zum „Container-wühlenden Mann“ ohne jegliche Infos zu seinem sozialen Stand ablesen kann.

Nicht die Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfänger sind die „sozial Schwachen“, geschweige Asoziale, sondern die verantwortlichen Politiker, die zur Hand gehenden sog. Leitmedien sowie die kleine beauftragende elitäre Gruppe.

Verfasser solcher hämischer Kommentare sind oft nur selbst Opfer dieser permanenten Trommelfeuer aus Diffamierungen, Diskreditierungen und vor allem Ablenkungsmanövern.

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