Scharfe Töne aus Moskau gegen NATO-Pläne für Raketenschirme
Dimitri Medwedew, Russlands Präsident, droht mit der Aufstellung von Atomraketen in Kaliningrad. Die Warnung geht direkt an die USA. Wegen den Sanktionen gegen Iran? Nein, wegen vergessener Absprachen zu gemeinsamen Abrüstungen.
Falls die USA keine Zugeständnisse beim Bau des Raketenschildes in Europa machen, dann droht eine Aufstellung von Atomraketen in Kaliningrad. Deutliche Warnungen des Präsidenten Dimitri Medwedew über das russische Fernsehen. Russland hat Bedenken zur drohenden Schieflage des militärischen Gleichgewichts, sollten die USA zusammen mit der NATO weiter am Raketen-Abwehrschild bauen. Falls die USA nicht einlenkten, dann werde Russland im Süden und Westen des Landes moderne Angriffssysteme aufstellen, in diesem Zuge könnten auch atomwaffenfähige Raketen des Typs Iskaner in die westrussische Exklave Kaliningrad installiert werden.
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Widerstand und Misstrauen
Bereits im Juli 2007 drohte Moskau mit der Aufstellung derartiger Waffen um die Region des früheren Königsberg, einem Gebiet zwischen Polen und Litauen. Das vom US-Präsidenten George W. Bush im Jahre 2001 begonnene Projekt zum Aufbau einer Raketenabwehr, stieß in Russland auf viel Widerstand und Misstrauen. Nach einer vorübergehenden Einstellung der Pläne seitens der US-Regierung, soll jedoch zusammen mit der NATO an eine Fortsetzung des Abwehrschilds gearbeitet werden. Moskau sieht in dem Schild zur Raketenabwehr eine Störung des militärischen Gleichgewichts und drängt auf schriftliche Garantien, dass ein Abwehrschild Russland nicht die Fähigkeit nimmt, einen Gegenschlag im Falle eines Atomangriffs durchführen zu können. Bisherige Verhandlungen über die Kooperation beim Bau zweier getrennter Raketenschilder sind gescheitert.
Die Reaktion aus Russland sollte keine Überraschung sein
Dennoch klingt diese Drohung aus dem Herzen Russlands, der ehem. Sowjetunion, wie eine verbale Attacke aus dem heiteren Himmel. Russland großes Unbehagen über das vorgehen der westlichen Mächte wurde bereits im Jahre 2007 beim Treffen der G8 in Heiligendamm vom damaligen Präsidenten Vladimir Putin in aller Deutlichkeit der Weltöffentlichkeit mitgeteilt. Nur scheint seine Botschaft an die westlichen Weltpresse verschluckt worden zu sein, ganz als ob die Medien einen Filter für kyrillischen Akzent eingebaut hätten.
So verloren am 08. Juni 2007 das Online-Magazin n-tv sowie die Süddeutsche gerade mal ein paar Zeilen, um das „Eklat bei der Pressekonferenz mit Putin“ zu veröffentlichen, als ein russischer Oppositioneller Flugblätter unter die Journalisten verteilte.
Zensur nur bei Diktatoren und in sog. Schurkenstaaten möglich? – Weit gefehlt!
Kaum bekannt ist jedoch die Pressekonferenz, die Putin anlässlich des G8-Treffens am 04. Juni 2007 gab. Eineinhalb Stunden gab Putin Rede und Antwort vor der versammelten Weltpresse. Als wenn er gegen eine taubstumme Wand gesprochen hätte. Aber ein Protokoll der Pressekonferenz gibt es trotzdem.
Putins zensierte Pressekonferenz vom 04. Juni 2007 beim G8-Gipfel
Am vorigen Dienstag, den 4. Juni 2007, gab der russische Präsident Vladimir Putin eine eineinhalbstündige Pressekonferenz, die von vielen Vertretern der Weltpresse besucht wurde. Der Inhalt dieses Treffens – bei dem Putin alle Fragen in Bezug auf die Verbreitung von Nukleartechnologie, Menschenrechten, Kosovo, Demokratie und die gegenwärtige Konfrontation mit den USA über Raketenabwehr in Europa beantwortete – wurde von der Presse komplett zensiert. Außer einem kurzen Auszug in einem Leitartikel der Washington Post (der dazu diente, Putin zu kritisieren) wurde die Konferenz in den öffentlichen Aufzeichnungen ausgeblendet, als hätte sie nie stattgefunden. (Lesen Sie die englische Niederschrift der gesamten Konferenz hier: https://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=5938 )
Putins Auftritt war eine Tour de Force, in der er auf alle Fragen einging, wie irreführend oder beleidigend auch immer sie sein mochten. Er war offen und staatsmännisch und zeigte in allen wesentlichen Fragen ein gutes Verständnis der Zusammenhänge.
Das Treffen gab Putin die Gelegenheit, seine Standpunkte in der wachsenden Debatte um Raketenabwehr in Osteuropa darzulegen. Er gab eine kurze Zusammenfassung über den sich verschlechternden Zustand der russisch-amerikanischen Beziehungen seit dem Ende des kalten Krieges und insbesondere seit dem 11. September bis heute. Seit dem 11. September hat die Bush Verwaltung eine aggressive Strategie verfolgt, Russland mit Militärbasen an seinen Grenzen zu umgeben und versucht, mit Russland verbündete Regimes in Zentralasien zu stürzen und politischen Aufruhr in Moskau durch US-unterstützte „pro-demokratische“ Gruppierungen anzustacheln. Diese offenkundig feindseligen Aktionen haben viele russische Hardliner davon überzeugt, dass die US Regierung weiterhin den Plan der Neokonservativen verfolgt, „Regimewechsel“ in Moskau und das Auseinanderbrechen der russischen Föderation zu bewirken. Putins Aussagen legen nahe, dass die Hardliner wahrscheinlich Recht haben.
Die kriegerische Außenpolitik der Administration Bush hat den Kreml in die Ecke gedrängt und Putin gezwungen, Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen. Er hat keine andere Wahl.
Wenn wir verstehen wollen, weshalb die Beziehungen zu Russland sich zusehends dem Siedepunkt nähern, müssen wir lediglich die wesentlichen Entwicklungen seit dem Ende des kalten Krieges betrachten. Der politische Analyst Pat Buchanan gibt einen guten Überblick hierüber in seinem Artikel „Hat Putin nicht irgendwo Recht?“ („Doesn‘t Putin have a Point? https://www.vdare.com/buchanan/070212_putin.htm )
Buchanan erklärt:
„Obwohl die Rote Armee ihre Sachen gepackt und sich freiwillig aus Osteuropa zurückgezogen hat, und Moskau der Meinung war, es gäbe Übereinstimmung darüber, dass wir die NATO nicht ostwärts ausweiteten, haben wir die Gelegenheit ausgenutzt.
Wir haben nicht nur Polen in die NATO geholt, sondern auch Lettland, Litauen und Estland, sowie praktisch den gesamten Warschauer Pakt. Damit haben wir die NATO genau auf Mütterchen Russlands Veranda positioniert. Gegenwärtig gibt es Bestrebungen, die Ukraine und Georgien im Kaukasus, das Geburtsland Stalins, in die NATO einzubeziehen.
Zweitens unterstützte Amerika eine Pipeline um Öl vom Kaspischen Meer über Georgien in die Türkei zu transportieren und Russland zu umgehen.
Drittens: Obwohl uns Putin grünes Licht gab, Basen in den alten Sowjetrepubliken für die Befreiung Afghanistans zu nutzen, wollen wir diese Basen in Zentralasien jetzt auf Biegen und Brechen zu permanenten Militärbasen ausbauen.
Viertens: Obwohl uns Bush die Raketenabwehr als gegen Schurkenstaaten wie Nordkorea gerichtet verkaufte, sagt man uns jetzt, dass wir Raketenabwehrsysteme in Osteuropa aufstellen werden. Gegen wen sind diese gerichtet?
Fünftens: Über die Nationale Unterstützung für Demokratie* sowie die entsprechenden Hilfsorganisationen von Republikanern und Demokraten, über steuerbefreite „think-tanks“ Stiftungen und „Menschenrechts“-Institutionen wie etwa das Freedom House**, dem der EX-CIA Direktor James Woolsey vorsteht, haben wir Regimewechsel in Osteuropa, den früheren Sowjetrepubliken und in Russland selbst gefördert.
US unterstützte Revolutionen waren in Serbien, der Ukraine und Georgien erfolgreich, schlugen aber in Belorussland fehl. Jetzt hat Moskau Gesetze erlassen, die die Handlungsfreiheit ausländischer Agenturen einschränken, die man – nicht ganz ungerechtfertigt -als subversiv gegen pro Moskau orientierte Regimes einschätzt.
Sechstens: Amerika bombardierte Serbien während 78 Tagen, weil das Land das Verbrechen begangen hatte, weiter Anspruch auf seine rebellische Provinz Kosovo zu erheben, und weil es der NATO Passierrechte durch serbisches Territorium für die Übernahme der Provinz verwehrt hatte. Mütterchen Russland hatte immer ein mütterliches Interesse an den orthodoxen Balkanstaaten.“
Putins zensierte Pressekonferenz – Protokoll Teil 2 >>
Quelle des Protokolls
Ursprung des Artikels
Übersetzt vom Englischen von Hergen Matussik und überprüft von Fausto Giudice, Mitgliedern von Tlaxcala, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt.
Diese Übersetzung unterliegt dem Copyleft: sie kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl der Autor als auch die Quelle genannt werden.
Quelle: Irib
Bilder: Medwedew – Bush & Putin – whitehouse.gov – Putin – kremlin.ru