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Mehr als nur Kontrolle gegen Verbreitung von Atomwaffen?
Die Neutralität der Internationalen Atombehörde IAEA in rein politischen Fragen darf getrost angezweifelt werden. Indizien zum iranischen Atomprogramm werden hochstilisiert und den treibenden Westmächten auf dem Silbertablett serviert.
Das „grob umrissene“ Aufgabengebiet der IAEA ist die Verhinderung von „unautorisierter“ Verbreitung von Atomwaffen auf dieser Welt. Wer Mitglied der IAEA ist, hat sich automatisch freiwillig Prüfungen und Kontrollen durch die IAEA unterworfen. Israel, als einziger Inhaber von Nuklearwaffen im Nahen Osten ist fein raus. Israel hat nicht unterschrieben, ist somit kein Mitglied und braucht sich deshalb auch keinen Kontrollen zu unterziehen. Die Welt geht schließlich davon aus, dass Atomwaffen in Israel in „guten Händen“ sind.
Dem Iran hat die IAEA zuletzt ein Ultimatum bis zum März 2012 gestellt, alle „offenen Fragen“ zu beantworten. Dem Land wird vorgeworfen zumindest bis 2010 an Atomwaffen geforscht, bzw. an deren Entwicklung gearbeitet zu haben. Beweise sind keine dargelegt worden, aber ein ganzes Paket an Indizien. Dennoch reichten die Indizien den Westmächten völlig aus, um harte wirtschaftliche Sanktionen gegen Iran einzuleiten. Strafmaßnahmen und Androhung von militärischen Interventionen gehören inzwischen zur Tagesordnung. Der IAEA spielt bei der „Anti-Iran-“ Haltung eine immer zweifelhaftere Rolle.
Der folgende Text ist die Ausführung von IRIB zum Text von Ronnefelder:
Der frühere Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde und Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei gab dem „Spiegel“ ein Interview im Zusammenhang mit seiner Präsidentschaftskandidatur in Ägypten, bei dem auch der Konflikt um das iranische Atomprogramm zur Sprache kam. Das Interview erschien am 19.4.2011 bei Spiegel-online in englischer Sprache.
(…) SPIEGEL: Ihr Optimismus ist bewunderungswürdig. Als Sie noch Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien waren, fühlten Sie Sich sogar noch zuversichtlich, dass Sie den nuklearen Konflikt zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft lösen könnten. Das hat aber nicht geklappt.
ElBaradei: Wir waren tatsächlich mehrmals kurz vor einer Lösung. Die Iraner waren 2003 bereit, aber die Administration des damaligen US-Präsidenten George W. Bush war es nicht. Dann, 2010, als Präsident Barack Obama seine Hand ausgestreckt hat, konnten die Iraner sie nicht ergreifen wegen inländischer politischer Machtkämpfe.
SPIEGEL: In Ihren bald herauskommenden Memoiren beschreiben Sie, wie Sie betrogen wurden in Ihren Untersuchungsversuchen.
ElBaradei: Ich halte mich strikt an die Tatsachen und ein Teil davon ist, dass die Amerikaner und die Europäer uns wichtige Dokumente und Information vorenthalten haben. Sie waren an einem Kompromiss mit der Regierung in Teheran nicht interessiert, aber an Regimewechsel – durch jegliche notwendigen Mittel.
SPIEGEL: Und die armen Iraner waren völlig unschuldig?
ElBaradei: Nein, sie haben auch Tricks angewendet. Aber der Westen hat nie versucht zu verstehen, dass das Wichtigste für Iran war, Anerkennung zu erhalten und als gleichwertig behandelt zu werden. (…)
(Übersetzung: Dr. Anka Schneider, es folgt die Passage im engl. Originalwortlaut)
Unter der Annahme, dass die Kernaussagen ElBaradeis zutreffend sind, stellen sich derzeit einige Fragen, die weiterer Untersuchungen bedürfen:
1. Warum hat der derzeitige Generalsekretär der IAEA, der Japaner Yukiya Amano, den Kurs von Mohamed ElBaradei verlassen und am 8.11.2011 einen Bericht veröffentlicht, dessen Iran belastende und weitgehend bekannte Aussagen von Mohamed ElBaradei noch abgelehnt worden waren, in den offiziellen IAEA-Bericht übernommen zu werden?
2. In welcher Beziehung steht der Kurswechsel von Yukiya Amano zu den vom „Guardian“ am 2.12.2010 veröffentlichten „WikiLeaks“-Aussagen, wonach Yukiya Amano dem US-Botschafter Glyn Davies am 16.9.2009 – zwei Monate nach Yukiya Amanos Wahl zum IAEA-Generalsekretär im Juli 2009 – zugesagt hatte, in Übereinstimmung mit den strategischen Schlüsselentscheidungen der USA in der Iran-Atomwaffen-Anschuldigungs-Angelegenheit zu handeln? (Dokument guardian UK)
3. Gehören zu den von Mohamed ElBaradei genannten „jeglichen Mitteln“ für einen Regimewechsel in Iran auch der Einsatz des Computervirus „Stuxnet“, der in der iranischen Anreicherungsanlage Natanz schwere Schäden hinterlassen hat, die Ermordung einiger ranghoher iranischer Atomwissenschaftler oder möglicherweise auch die Explosion auf einem Raketenstützpunkt der Revolutionären Garden Irans unweit von Teheran, bei der am 12.11.2011 mit General Hasan Moghaddam – neben 16 weiteren Angehörigen der Revolutionären Garden – eine Schlüsselperson des iranischen Raketenprogramms getötet wurde?
4. Begründet das von ElBaradei genannte Motiv des Regimewechsels allein die Sorge der US-Regierung und der EU-Staaten vor einer iranischen Atombombe und deren Auswirkungen auf Israel sowie auf die sunnitischen westlich orientierten Erdöllieferstaaten der Region? Welche Rolle spielen bei der Suche nach einem „regime change“ die Langzeitverträge, die Iran mit China und Indien über die Lieferung von Öl und Gas abgeschlossen hat – und die vermutlich nur bei einem Sturz der derzeitigen Machthaber in Qom und Teheran so ausgehandelt werden könnten, dass das iranische Öl und Gas in den nächsten Jahrzehnten in Richtung Westen statt nach Osten fließt?
5. Welche Motive treiben die israelische Regierung gerade zum jetzigen Zeitpunkt, Iran mit Krieg zu drohen? Welche Rolle spielt bei der Wahl des gegenwärtigen Zeitpunkts die US-Präsidentschaftswahl Ende des Jahres 2012, wobei Barack Obama im nächsten Jahr kaum noch einen israelischen Angriff auf Iran unterstützten könnte, ohne vermutlich seine Wiederwahl zu gefährden?
6. Droht die israelische Regierung mit Krieg, um dadurch lediglich die US-Regierung, die EU und auch andere Staaten zu schärferen Sanktionsmaßnahmen gegenüber Iran zu bewegen? Sollen – aus Sicht der israelischen Regierung – mit dem Thema der verschärften Bedrohung Israels durch Iran die Themen „Gründung eines Staates Palästina“, „Kritik an Besatzung und Siedlungsbau“ und „Soziale Missstände in Israel“ aus der vordersten internationalen Diskussionsreihe gedrängt werden?
7. Als Frankreich 1980 in der Nähe von Bagdad einen Reaktor baute, der das Material für ein bis zwei Atombomben pro Jahr hätte produzieren können, zerstörten 14 israelische Kampfflugzeuge am 7. Juni 1981 den unmittelbar vor der Fertigstellung stehenden irakischen Reaktor bei Tuweitha. Die Arbeiten am Reaktor unterlagen zu diesem Zeitpunkt der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien (IAEA), der die israelische Führung keine effektive Kontrolle zutraute.
Im Juni 1981 verurteilte der UN-Sicherheitsrat – mit Zustimmung der USA – den israelischen Luftangriff auf den irakischen Atomreaktor in der Resolution 487 als „danger to international peace and security created by the premeditated (…) attack“ (SRRes. 487 (Präambel)) und „clear violation of the Charter of the United Nations and the norms of international conduct (SRRes. 487 (1))“ und forderte Israel auf, „to refrain in the future from any such attacks or threats thereof“ (SRRes. 487 (2)). (RWTH Aachen – Eine Lücke im Völkerrecht? Anmerkungen zur Legalität der US-Intervention im Irak im März 2003)
Sanktionen scheiterten anschließend am US-Veto.
In Verletzung dieser UN-Resolution bombardierte die israelische Luftwaffe im Jahre 2007 eine Nuklearanlage in Syrien.
Wenn die UN-Resolution 487 von der israelischen Regierung klar den Verzicht auf die Androhung von zukünftigen weiteren Attacken auf Atomanlagen anderer Staaten fordert, stellen die gegenwärtigen Aussagen führender israelischer Politiker („Peres droht Iran mit Angriff“ – Süddeutsche.de) nicht bereits eine zu ahndende Verletzung der UN-Resolution 487 dar?
8. Wie sind die Aussagen der UN-Charta in Artikel 2 mit der derzeitigen westlichen Politik gegenüber Iran oder auch Libyen vereinbar?
Der Artikel 2 beginnt mit den Aussagen:
„Die Organisation und ihre Mitglieder handeln im Verfolg der in Artikel 1 dargelegten Ziele nach folgenden Grundsätzen:
1. Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder.
2. Alle Mitglieder erfüllen, um ihnen allen die aus der Mitgliedschaft erwachsenden Rechte und Vorteile zu sichern, nach Treu und Glauben die Verpflichtungen, die sie mit dieser Charta übernehmen.
3. Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, dass der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden.
4. Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“
Bild: Yukija Amano – Rechte: USA