Olli Dürr Politik Bundeswahlgesetze im Widerspruch zum Grundgesetz

Bundeswahlgesetze im Widerspruch zum Grundgesetz

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Die Bundeswahlgesetze erfüllen den im Artikel 38 Grundgesetz, Absatz 3 beschriebenen Zweck. „Das Nähere wird hiermit geregelt“. Es scheint von den Politikern allgemein (natürlich) akzeptiert zu sein, dass in beiden Gesetzestexten gegenseitige eigentlich nicht zulässige Widersprüche erkennbar sind. Eigentlich logisch. Die möglichen Konsequenzen würden die Verantwortlichen im Nu ins politische Nichts befördern.

Je weiter man gräbt, desto mehr Widersprüche entdeckt man

Fragwürdige Justiz

Sind Bundeswahlgesetze ungültig?
Bild: CC0 1.0 Universell

Bei der Nachforschung mir (ursprünglich) nicht ganz nachvollziehbaren Ungereimtheiten zu diversen Eintragungen im Grundgesetz (GG) stieß ich auf die Definitionen der Bundestagswahlen und das wiederum erinnerte mich an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vor wenigen Jahren.
Die Medien hatten dieses Urteil nur sehr am Rande behandelt, es war offenbar nicht so wichtig, als dass es im Detail hinterfragt bzw. ausgearbeitet werden müsste. Schließlich stand auch der Auftakt zum äußerst wichtigen Wahlkampf zur nächsten Bundestagswahl auf der Agenda.

Der Aufhänger erfolgte am Artikel 38 GG. Absatz 1 lautet:

„(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt.“


Was verkündete das Bundesverfassungsgericht am 25. Juli 2012?

Auszug aus dem Urteil des BVerfG (2 BvE 9/11):
„2. § 6 Absatz 5 des Bundeswahlgesetzes in der Fassung des Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 25. November 2011 (Bundesgesetzblatt I Seite 2313) ist nach Maßgabe der Gründe mit Artikel 21 Absatz 1 und Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.“

zum Nachlesen.

Damit wurde das Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 25. November 2011 (Bundesgesetzblatt I Seite 2313) für null und nichtig erklärt.

Das am 25. Juli verkündete Urteil hatte keine zwei Wochen vorher bereits einen Vorläufer
Was verkündete das Bundesverfassungsgericht am 04. Juli 2012?

Auszug aus dem Urteil des BVerfG (2 BvC 1/11 2 BvC 2/11):
„§ 12 Absatz 2 Satz 1 des Bundeswahlgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 394) ist mit Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.“

zum Nachlesen.

Damit geht das Urteil bis zu einem im Jahr 2008 geschaffenes und nun ungültiges Gesetz zurück.

Am 07.05.1956 wurde das Bundeswahlgesetz (BwahlG) ins Leben gerufen. Damit hätten wir auch das Gesetzeswerk lt. Artikel 38 GG, Absatz 3 („Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz“).
Was steht im Bundeswahlgesetz drinnen?


§ 1 Zusammensetzung des Deutschen Bundestages und Wahlrechtsgrundsätze

(1) Der Deutsche Bundestag besteht vorbehaltlich der sich aus diesem Gesetz ergebenden Abweichungen aus 598 Abgeordneten. Sie werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl von den wahlberechtigten Deutschen nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl gewählt.
(2) Von den Abgeordneten werden 299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und die übrigen nach Landeswahlvorschlägen (Landeslisten) gewählt.

zum Nachkucken

Die Parteien stellen für die Abgeordnetenwahlen also Listen bereit. Von einer „allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl“, wie es das GG eigentlich vorsieht, kann die Definition „unmittelbar“ berechtigt in Zweifel gezogen werden. Eng wird es auch für den Begriff „gleiche“ Stellung für die Abgeordneten.
Welche Kreuzchen darf der mündige Wähler nun auf den Wahlzettel setzen? Ein Kreuzchen gilt für den Abgeordneten, somit passt es. Ein zweites Kreuzchen ist jedoch für eine Partei fällig, die ihre Abgeordneten nach „Gutdünken“ gen Berlin entsendet. An diesem Punkt ist von der „Unmittelbarkeit“, geschweige der „Gleichheit“ zwischen den unterschiedlich gewählten Abgeordneten keine Spur zu entdecken.

Was nun? Ein Widerspruch bzw. ein Verstoß gegen ein GG führt automatisch zur Nichtigkeit eines (eigentlich) untergeordneten Gesetzes. Sollten gar alle Wahlen seit 1954 (ab Bundestagswahl im Jahr 1956) deshalb ungültig sein? Wem dem so sei, dann hätte keine Regierung der BRD seit dieser Zeit jemals eine Legitimation, geschweige die Befugnis für die Schaffung neuer Gesetze gehabt.


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