Die Armut im Bundesgebiet weitet sich aus. Offenbar ist das Ausmaß derart groß, dass gewichtige Faktoren wie teils massive Preissteigerungen für die Ermittlung der Armutsgefährdungsquote gar nicht mehr berücksichtigt wurden. Es scheint viel schlimmer zu sein als dargestellt.
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Ansteigende Kinderarmut im Bundesgebiet
Das in der EU bevölkerungsreichste, wirtschaftlich stärkste und eines der weltweit produktivsten Länder weist innerhalb der Bewohner im Kindes- und Jugendalter mehr als ein Fünftel Armut auf. Die Kinderarmut in Deutschland stieg zuletzt auf 21,8 Prozent an, so der Paritätische Gesamtverband in seinem am Dienstag veröffentlichten Bericht (Quelle). Ein neu markierter Spitzenwert.
Anstieg „Armutsgefährdung“ gestoppt?
Die allgemeine Armutsquote lag im Jahr 2022 bei 16,8 Prozent bzw. bei 14,2 Millionen betroffenen Menschen. Als arm, bzw. nach offizieller Sprechart als „armutsgefährdet“ gilt jemanden, der ein Einkommen von weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens verfügt. Gemäß dem Wohlfahrtverband lag die „Armutsgefährdungsquote“ im Jahr 2022 um 0,1 Prozentpunkte niedriger als in 2021. Damit wurde die Kette des 16-jährigen Anstieges unterbrochen.
Besonders betroffen von Armut mit einer durchschnittlichen Quote von 30 Prozent sind neben kinderreichen Familien auch Alleinerziehende und Menschen ohne abgeschlossene Berufsbildung. Markant ist die Feststellung, dass der Anteil der Armutsbetroffenen ohne Erwerbstätigkeit bei „nur“ 6 Prozent liegt. Rund ein Drittel der im Bundesgebiet verarmten Menschen gehen einer Erwerbstätigkeit nach und ebenfalls rund ein Drittel der betroffenen Menschen sind im Rentenalter.
Süd-Nord-Gefälle
Gemäß der Auswertung liegt bei der Verteilung der Armut im Bundesgebiet ein Süd-Nord-Gefälle vor. Während im Süden, also Bayern und Baden-Württemberg, die Armutsquote am geringsten ist, finden sich in Bremen (Armutsquote 29 %) anteilig die meisten Menschen im Armutsbereich. Zu den „Armuts-Hotspots“ zählt insbesondere das Ruhrgebiet (22 %) mit einer relativ hohen Bevölkerungsdichte. Weitere Gebiete mit einer relativ geringen Armutsquote auch in nördlichen Gefilden sind Brandenburg mit dem Einzugsbereich Berlin. Im Mittelfeld der Armutsquote befinden sich Schleswig-Holstein, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Niedersachsen.
Armutsschwellen in 2022
Der sog. Einkommens-Median ist keine statische Größe. In 2022 lag die Schwelle zur Armut bei einem Single bei einem monatlichen Einkommen von 1.186 Euro pro Monat. Für eine Familie mit zwei Kindern im Alter von weniger als 14 Jahren lag die Armutsschwelle bei 2.490 Euro pro Monat. Alleinerziehende mit zwei Kindern galten in 2022 als „armutsgefährdet“, wenn das Einkommen bei 1.187 Euro pro Monat, bzw. darunter lag.
Preisexplosionen gar nicht erfasst
Die Gründe für die hohe Armutsquote, in einem der „reichsten Länder“ der Erde liegen auf der Hand. Interessant ist an diesem Punkt, dass die extrem gestiegenen Preise für Strom, Gas, Heizung und speziell Nahrungsmitteln im Zusammenhang der Armutsquoten-Bestimmung gar nicht berücksichtigt sind. Ausgehend davon, könnte es sich mit dem Rückgang um 0,1 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr auch um eine Irreführung handeln. Die Preise für Energie schossen um gut 30 Prozent und die für Nahrungsmittel um rund 20 Prozent nach oben.
Der Wille der Bundesregierung, die Armen und Ärmsten im Bundesgebiet unter die Arme zu greifen, war in 2022 ausgesprochen schwach ausgeprägt. Gemäß dem Paritätischen propagierte die Bundesregierung rund 29 Milliarden Euro an Entlastungsgelder für die stark betroffenen Haushalte. Angekommen sind jedoch nur rund 2 Milliarden Euro, also deutlich weniger als 10 Prozent.
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