Mit der Reformation ist unweigerlich Martin Luther verknüpft. Sein Anschlagen der 95 Thesen an der Schlosskirche zu Wittenberg ist den allermeisten Protestanten bekannt. Weniger herumgesprochen hat sich dagegen der Traum vom Kurfürsten Friedrich III. Er hatte den Mönch bereits kommen sehen, wusste es aber nicht.
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Reformation begann mit Martin Luther
Martin Luther hat am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen an das Tor der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen. Dieses Ereignis gilt als der Beginn der Reformation und dürfte noch den meisten Protestanten bekannt sein. Allerdings wird dieser äußerst wichtige Meilenstein der Historie nur noch als eine Anekdote aus der damaligen Zeit behandelt. Die Reformation, bzw. der Protestantismus ist ohnehin pünktlich zum 500ten Jahrestag am 31. Oktober 2017 zu Grabe getragen worden und heute feiert man nicht mehr Reformationstag, sondern Halloween.
Trotz der massiven Abwanderung aus der Evangelischen Kirche gibt es noch Millionen Menschen, die sich Protestanten nennen. Aber wer von diesen fände heute noch eine Antwort auf die Frage, wogegen sie eigentlich protestieren? Darauf hin dürfte betroffenes Schweigen überwiegen.
Kurfürst Friedrich III. war „vorbereitet“
Bereits weniger bekannt ist der damalige Schutzherr und Gönner Martin Luthers, Kurfürst Friedrich III., auch genannt Friedrich der Weise von Sachsen (17.01.1463 – 05.05.1525). Er bot Luther an einem damals geheimen Ort Unterschlupf vor den Häschern Roms. Martin Luther war vom Papst exkommuniziert worden und galt als vogelfrei. Eine heimtückische Inhaftierung und anschließende Ermordung Luthers auf dem Reichstag zu Worms in wie es nur knapp über 100 Jahre zuvor Jan Hus in Konstanz widerfuhr, hatte der dt. Kaiser Karl V. verhindert. Dafür steckte die Blamage über den Verrat des Kaisers Sigismund an Hus noch zu tief in den damals noch lebendigen und heutigen Reliquien des „Hl. Römischen Reiches“.
Wohl nur sehr wenigen bekannt dürfte die Motivation des Kurfürsten Friedrich III. für seine Inobhutnahme Luthers sein. Friedrich war auf die 95 Thesen an der Schlosskirche zu Wittenberg quasi nicht ganz unvorbereitet. Der Kurfürst von Sachsen hatte in der Nacht vor dem 31. Oktober 1517 einen Traum und zwar gleich dreimal nacheinander mit dem gleichen und sich fortsetzenden Inhalt. Friedrich erzählte seinen Traum seinem Burder, Herzog Johann, gleich am nächsten Morgen.
Der Traum vom Kurfürst Friedrich III.
„Ich muss dir einen Traum erzählen, den ich letzte Nacht hatte, denn er hat sich dreimal wiederholt, jedes mal unter anderen Umständen.“
Der 1. Traumabschnitt
„Nachdem ich letzte Nacht müde und übermüdet zu Bett gegangen war, schlief ich kurz nach meinem Gebet ein und schlief ruhig für etwa zweieinhalb Stunden; Dann wachte ich auf und blieb bis Mitternacht wach, alle möglichen Gedanken gingen vorbei durch meinen Verstand. Unter anderem dachte ich darüber nach, wie ich das Fest Allerheiligen begehen sollte. Ich betete für die armen Seelen im Fegefeuer; und flehte Gott an, mich, meine Ratschläge und mein Volk gemäß der Wahrheit zu führen.„
Der 2. Traumabschnitt
„Ich schlief wieder ein, und dann träumte ich, dass der allmächtige Gott mir einen Mönch sandte, der ein wahrer Sohn des Apostels Paulus war. Heilige begleitete ihn auf Befehl Gottes, um vor mir Zeugnis zu geben und zu verkünden, dass er nicht gekommen ist, um etwas zu erfinden. Alles, was er tat, geschah nach dem Willen Gottes. Sie baten mich, die Güte zu haben, gnädig zu sein. Erlauben Sie ihm, etwas an die Tür der Kirche des Schlosses von Wittenberg zu schreiben; Dies gewährte ich durch meinen Kanzler. Daraufhin ging der Mönch in die Kirche und fing an, in so großen Buchstaben zu schreiben, dass ich sein Schreiben in Schweinitz sehen konnte. Der Stift, den er benutzte, war so groß, dass sein Ende bis nach Rom reichte, wo er die Ohren eines Löwen durchbohrte, der dort kauerte und die dreifache Krone auf dem Haupt des Papstes erzittern ließ.„
„Alle Kardinäle und Prinzen, die eilig herbeieilten, versuchten zu verhindern, dass er fiel. Du und ich, Bruder, wollten auch helfen, und ich streckte meinen Arm aus; Aber in diesem Augenblick erwachte ich, den Arm in die Luft gestreckt, ganz erstaunt und sehr wütend auf den Mönch, weil er seinen Stift nicht besser verwalten kann. Ich erinnerte mich ein wenig; Es war nur ein Traum.„
„Ich war noch im Halbschlaf und schloss wieder die Augen. Der Traum kehrte zurück. Der Löwe, immer noch genervt von dem Stift, begann zu fliegen, brüllte mit all seiner Kraft, so sehr, dass die ganze Stadt Rom und alle Staaten des Heiligen Reiches rannten, um zu sehen, was die Ursache war. Der Papst forderte sie auf, sich diesem Mönch zu widersetzen, und wandte sich besonders an mich, weil er in mein Land ist. Ich wachte wieder auf, wiederholte das Vaterunser, flehte Gott an, seine Heiligkeit zu bewahren, und fiel wieder hin zum Schlafen.„
Der 3. Traumabschnitt
„Dann träumte ich, dass alle Fürsten des Reiches, und wir unter ihnen, nach Rom eilten und sich bemühten, einer nach dem anderen, um den Stift zu brechen; Aber je mehr wir es versuchten, desto steifer wurde es und klang, als wäre es aus Eisen gemacht. Schließlich haben wir aufgegeben. Ich fragte dann den Mönch (denn ich war manchmal in Rom und manchmal in Wittenberg), woher er den Stift habe und warum er so stark war.„
„Der Stift, antwortete er, gehörte einer alten böhmischen Gans, hundert Jahre alt. Ich habe es von einem meiner alten Schulmeister. Was seine Festigkeit betrifft, so ist er auf die Unmöglichkeit zurückzuführen, ihm sein Mark zu entziehen. Mark; und ich bin selbst ganz erstaunt darüber. Plötzlich hörte ich ein lautes Geräusch – eine große Anzahl anderer Stifte entsprang der langen Feder des Mönchs. Ich wachte ein drittes Mal auf: Es war Tageslicht.„
Der Traum erfüllte sich fast sofort
Der Kurfürst und sein Bruder Herzog Johannes rätselten noch über die Bedeutung des Traumes, ob sie mit einem „Erleuchteten“ wie Joseph oder Daniel rechnen könnten. Doch der Traum war kaum zu Ende erzählt, da kam schon der Mönch mit dem Hammer, um diesen Traum zu deuten. Mit diesen Worten schloss J.A. Wyhlie (1808-1890) seinen Bericht über den Traum Friedrichs ab, zu finden in „History of Protestantism“, Band 1, auf den Seiten 242 bis 244. Wyhlie versicherte: „Der Traum wird von allen Chronisten der damaligen Zeit aufgezeichnet. Von seiner Wahrheit gibt es kein Zweifel, wie auch immer wir es interpretieren mögen.“
Besonders interessant ist das Detail der „alten böhmischen Gans“. Damit ist ohne Zweifel der etwas über 100 Jahre vorher aus Böhmen stammende Jan Hus gemeint. Er wurde in Konstanz wegen derartigen reformatorischen Motivationen umgebracht. „Heute bratet ihr eine Gans. Aber in 100 Jahren wird ein Schwan erscheinen, den ihr weder kochen noch braten könnt“, so Jan Hus kurz vor seiner Verbrennung im Jahr 1415.
„Modifizierte Erinnerung“ an die Historie
Man fragt sich, warum dieses durchaus eindrucksvolle und auch bedeutende Ereignis nicht mindestens so hoch gehalten wird, wie die tatsächlich kurz danach von Luther angeschlagenen Thesen. Es kann halt einfach nicht sein, was nicht sein darf. Heute gilt der Thesenanschlag Luthers längst als „umstritten“. Allein mit dieser schwammigen Aussage sind schon eine Menge an „Protestanten“ zum Zweifeln zu bringen. Es braucht nur ein „moderner Theologe“ oder Wissenschaftler seinen persönlichen Argwohn zu äußern, schon gilt eine Tatsache als „bestritten“. Im Anschluss folgen weitere Argumente und Gegenargumente. Am oberflächlichen Leser bleibt jedoch die gewollt suggerierte „umstrittene Theorie“ hängen. Mit dem Untergang des Protestantismus ist daher der Traum von Friedrich scheinbar auch nicht mehr relevant.
Dem „Charakter“ der Leute nach, die auch die Gegenreformation starteten, kann es nicht nur bei der bereits vollzogenen Auslöschung der Reformation bleiben, sondern es muss noch kräftig nachgetreten werden. Eine „modifizierte Erinnerung“ (*1 an die Geschichte bei gleichzeitigem „Rachefeldzug“ gegen die einstigen erklärten Gegner. An diesem Punkt sind vor allem die Sachsen in der Geschichte öfters in die Quere gekommen. Sei es die Beherbergung des „Ketzers“ Luther, oder der erbitterte Widerstand gegen den Bluthund Roms, Karl d. Großen. Es gäbe für die „Verärgerten“ Gründe genug, um sich an Sachsen mit Wonne richtig auszulassen.
(*1
Im gemeinsamen Schreiben der evangelischen und katholischen Kirche „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ (31.10.2017) ist im Kapitel II, Seite 12, über die Erinnerung an geschichtliche Ereignisse folgende Aussage zu finden:
„Was in der Vergangenheit geschehen ist, kann nicht geändert werden. Was jedoch von der Vergangenheit erinnert wird und wie das geschieht, kann sich im Lauf der Zeit tatsächlich verändern. Erinnerung macht die Vergangenheit gegenwärtig. Während die Vergangenheit selbst unveränderlich ist, ist die Präsenz der Vergangenheit in der Gegenwart veränderlich. Mit Blick auf 2017 geht es nicht darum, eine andere Geschichte zu erzählen, sondern darum, diese Geschichte anders zu erzählen.“