In Nürnberg hat die evangelische Vesperkirche wieder ihre Pforten für ein kulinarisches Zusammensein geöffnet. Im Saal für den Gottesdienst gibt es Speisen, Getränke, Kaffee und Kuchen sowie Gelegenheit, die Haare wieder in Ordnung zu bringen.
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Kaffee, Kuchen, Fischfilet
In Nürnberg, Stadtteil Lichtenhof, hat inzwischen zum neunten Mal die örtliche Vesperkirche die Pforten für Kulinarisches geöffnet. Der Kirchenraum enthält in der Zeit zwischen dem 04. Januar und 18. Februar 2024 nicht die gewohnten Bänke für die zum Gottesdienst versammelte Gemeinde, sondern die für Restaurants üblichen Einrichtungen (Quelle). Während dieser Zeit können Besucher in dieser Kirche neben den Gottesdienst auch Speisen und Getränke zu sich nehmen, Unterhaltungen führen und der vorgetragenen Musik zuhören. Gelegenheit für die Zusammenkunft von Menschen aus „verschiedenen Lebenswirklichkeiten“ am gemeinsamen mit Kaffee und Kuchen gedeckten Tisch.
Kirche öffnet ihr „Wohnzimmer“
Die grundlegende Idee für diese Aktion innerhalb der Kirche sei das Angebot des Kirchenraumes in der kalten Jahreszeit. Hierfür öffne die Gemeinde nach ihren eigenen Worten den wichtigsten Raum, das „Wohnzimmer“. Warme Getränke und warme Mahlzeiten gebe es für 1 Euro. Für die Besucher steht eine große Palette von rund 200 Angeboten zur Verfügung. Dazu gehören Frisör und Trainingseinheiten für die erfolgreiche Bewerbung. Das Motto für diese Veranstaltung innerhalb einer evangelischen Kirche lautet im Jahr 2024: „Freunde, Frieden, Fischfilet“ (in 2019: „Singen, beten, Apfelstrudel“).
Im Jahr 2022 lief diese Veranstaltung aufgrund des „Corona-Umfeldes“ nur im eingeschränkten Modus. Dafür gab es eine Einrichtung, um „schnell und unkompliziert“ an eine Impfung zu kommen, „egal ob Erst-, Zweit- oder Dritt- bzw. Boosterimpfung“, so die Evangelische Landeskirche Bayern (Quelle). Das vorangegangene Jahr war aufgrund der politisch verordneten Lockdowns mit Ausfall bzw. Startverschiebungen begleitet.
Sozial nicht ohne Eigennutz
Im Vordergrund steht die „soziale Ader“ und das gezeigte Verantwortungsgefühl dieser Kirche für das Gemeinwohl. Wenn da nicht die knapp 200 Zusatzangebote für Interessenten wären. Das erinnert mehr an eine „Erlebnis-Messe“ anstatt an ein christliches Gotteshaus. So ganz uneigennützig ist diese Unterstützungsaktion daher nicht, wie auch der Mitgestalter dieser Aktion, Pfarrer Matthias Halbig, im Gespräch mit „epd“ erklärte (Quelle). Er glaube nicht, dass Vesperkirchen die Antwort auf eine „schleichende oder galoppierende Entkirchlichung“ geben. Es sei nicht zu erwarten, dass jemand deswegen in die Kirche eintritt. Aber die Vesperkirche sei ein Modell, die viele Menschen vom Kirchenaustritt abhielten.
Gotteshaus sei hier kein Problem
Der Pfarrer sieht in diesem Modell keine Konflikte mit dem Charakter der Kirche, auch wenn es Menschen gibt, die das Servieren von Essen, Beratungen und Kaffeeklatsch in Gottesdiensthäusern ablehnen. Gemäß Halbig erinnere die Vesperkirche an das „Ursprungsritual des christlichen Glaubens, an das Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern“. Das, was hier passiere, sei sakral, ein Ort der Begegnung. Genau dies solle die Kirche sein, so der Pfarrer.
Das Abendmahl, von dem der Pfarrer spricht, war allerdings kein gemütliches Beisammensein in einer fröhlichen Atmosphäre, bei Kaffee und Kuchen, sondern ein Brotbrechen und Weintrinken als Symbole zum Gedenken an Jesu Christi Opfer. Aus dieser veranstalteten Cafe-Szene geistig etwas „Sakrales“ (geweiht, geheiligt) zu basteln, erfordert eine gute Portion an Fantasie.
Derartiges gab es bereits
Ein derartiger Ort der Begegnung, so zumindest das Empfinden, mit einem Basar-Charakter, fand bereits vor gut 2.000 Jahren im Tempel zu Jerusalem statt. Jesus Christus ist dort mehrmals eingekehrt. Bei zwei derlei Anlässen hatte Er zu den vorgefundenen Umständen jeweils eine Antwort parat. Beim ersten Mal, Johannes 2,14-16:
„Und er fand im Tempel die Verkäufer von Rindern und Schafen und Tauben und die Wechsler, die dasaßen. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus, samt den Schafen und Rindern, und den Wechslern verschüttete er das Geld und stieß die Tische um; und zu den Taubenverkäufern sprach er: Schafft das weg von hier! Macht nicht das Haus meines Vaters zu einem Kaufhaus!„
Und auch beim zweiten Tempelbesuch, Matthäus 21,12-13:
„Und Jesus ging in den Tempel Gottes hinein und trieb alle hinaus, die im Tempel verkauften und kauften, und stieß die Tische der Wechsler um und die Stühle der Taubenverkäufer. Und er sprach zu ihnen: Es steht geschrieben: »Mein Haus soll ein Bethaus genannt werden!« Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!„
Angesichts der ohnehin schon offenkundigen Ferne zum Evangelium dieser kirchlichen Einrichtungen, überwiegt durchaus die „Soziale Ader“. Bedürftige Menschen haben für 6 Wochen eine Gelegenheit, zu einem günstigen Essen zu kommen, Obdachlose können sich etwas aufwärmen. Danach schließen die Pforten und es geht wieder in den „Alltag“ zurück. Der eigentliche Sinn einer Kirche für den Gottesdienst gemäß dem Evangelium, zumindest lautet so der erhobene Anspruch, Gott zu verherrlichen, wird mit dem Angebot von Friseur-Styling, Training für Vorstellungsgespräche und „Freunde, Frieden, Fischfilet“ nicht erfüllt. Die evangelische Kirche hat ohnehin fertig (Info).
Szenen der Vesperkirchen-Veranstaltung
Im Video ist zur Eröffnung auch diese ominöse „Formel“ zu hören, die bereits die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zur Taufe vorschlug: „Im Namen des Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes„. Dieser Spruch entspricht der katholischen Variante eines „Urbi et Orbi“ und weicht nicht nur von der Vorgabe Jesu Christi ab (Matthäus 28,19), sondern impliziert auch noch einen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist übergeordneten „Gott“. Wer auch immer dies sein möge. Das „Original“ lautet jedoch:
„Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes„
Bibelverse aus Schlachter 2000