Die Religionsfreiheit ist in der Gesellschaft ein hohes Gut. Sogar die römisch-katholische Kirche spricht sich für eine freie Religionsausübung aus. Im Rahmen der Ökumene auf den ersten Blick ein Widerspruch. Doch mit der Definition des „Allgemeinwohls“ löst sich diese vermeintliche Inkompatibilität wieder auf.
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In die Religionsfreiheit „gestolpert“
Religionsfreiheit ist eines der Errungenschaften der Französischen Revolution und die daraus resultierende Menschenrechtserklärung ist auch heute in den Verfassungen vieler Länder wiederzufinden. Dabei war der Weg zwischen dem im Jahr 1798 überwundenen Joch der römisch-katholischen Kirche bis zur Religionsfreiheit kein ebener Spaziergang. Im Zuge der von den Jakobinern angeführten Umstürze wurde nach dem Ende der Tyrannei Roms die Religion in Frankreich grundsätzlich verboten. Es wurden Bibeln verbrannt, die Kirchen geschlossen und als moralischer Maßstab galt als dann die „Vernunft des Menschen“. Es dauerte lediglich rund 3,5 Jahre des moralischen Verfalls, bis im Zuge der Erklärung der Menschenrechte eine freie Religionsausübung zugelassen wurde.
Vernunft des Menschen allein kein guter Maßstab
Die „Vernunft des Menschen“ als moralischer Maßstab entpuppte sich schnell als ein fatales Eigentor. Eigentlich befreit von der Knute Roms erkannten die Menschen dann doch sehr schnell, dass es mit der eigenen Moral nicht so weit her ist. Ein indirekter Triumph für die katholische Kirche, denn bis dahin gab diese römische Institution die Richtlinien der menschlichen Moral vor und der Zerfall der Gesellschaft gab ihr recht. Denn zu den Bestandteilen der christlichen Fassade der Kirche Roms gehörten auch die Moralvorgaben des Evangeliums, immerhin.
Religion sei im Menschen verwurzelt
Inzwischen ist es allgemeiner Tenor, dass der Mensch nur sehr schwer „ohne irgendeine Religion“ auskomme. Es scheint in den Genen der Menschheit zu liegen, irgendetwas „Übernatürlichem“ anhängen zu müssen. So beschreibt der Augsburger Bischof Bertram Meier in seiner Ansprache im Augsburger Dom am Sonntag den Zusammenhang folgend: „Religion ist ein wesentlicher Teil des Menschsein“. Anlass für diese Ansprache ist lt. CNA der „3. Ökumenische Bericht zur Religionsfreiheit weltweit 2023“.
Demnach dokumentiert dieser Bericht zahlreiche Verstöße gegen die Religionsfreiheit in vielen Ländern. Diese Verstöße seien nicht nur gegen das Christentum gerichtet, sondern gegen das „universelle Menschenrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit“, so der Bischof. Oft stehen zu Beginn der Feindseligkeiten „Verbalattacken, Einschüchterung und Ausgrenzung“. Diese weiteten sich jedoch aus zu „Verboten, Verhaftungen und Vertreibungen bis hin zur Ermordung Andersgläubiger“.
In Ländern wie Deutschland könne man dankbar sein, dass die freie Religionsausübung geschützt ist. Doch um dieses Wissen sei es unsere Pflicht, „das schwere Schicksal unserer Schwestern und Brüder in anderen Teilen der Welt als unsere Pflicht anzusehen“, dieses Thema immer wieder den Vertretern aus Politik und Gesellschaft vorzulegen.
Der Sohn Gottes hat trotz seiner Vollmacht darauf verzichtet, seine Peiniger in die Schranken zu weisen, so der Bischof. Sein Heilsplan sieht anders aus. Gewalt könne nicht durch noch größere Gewalt besiegt werden, nur durch Vergebung und Liebe. „Danken wir Gott darum dafür, dass er uns in Jesus den Weg zum Heil gezeigt hat“, so Bischof Meier.
Religionsfreiheit ohne Grenzen?
Die Argumente des Bischofs in Bezug zur absoluten Gewaltfreiheit, sei es körperlich oder geistig, sind nicht von der Hand zu weisen. Allzu viele „Gläubige“ haben ihre Position auch als Richter und Vollstrecker missverstanden, bzw. ihre ausgeübte Religion als Berechtigung für derartige Handlungen aufgefasst.
Die Grenzen der Freiheit würden aber bereits dadurch erreicht, wenn eine Religion die „Ausgrenzung, Verdrängung und Verfolgung“ von Andersgläubigen oder „Ungläubige“ vorschriebe. An diesem Punkt müssten dann die Dogmen einer Religion genauer unter die Lupe genommen werden, um wenigstens Kenntnis darüber zu gewinnen.
Religionsfreiheit innerhalb Ökumene
Verschiedene religiöse Auffassungen, ob ähnlich oder grundverschieden, müssen im Sinne der Ökumene irgendwie unter ein gemeinsames Dach gebracht werden. Dass nun ein katholischer Bischof die Religionsfreiheit hervorhebt, erscheint auf den ersten Blick der Ökumene entgegenzulaufen. Denn was für den Christen Jesus Christus als das Heil bedeutet, ist für den Muslim lediglich ein privilegierter Prophet. Doch an diesem „Problemfall“, dass Jesus Christus für das Heil eines jeden Menschen einen Monopolanspruch hat, wurde längst im großen Stil gefeilt. Derlei Aussagen wie in Johannes 14,6 werden in der Regel nur noch halbiert zitiert. Jesus Christus muss reduziert werden und diese Reduktion zu einem einfachen Wanderprediger ist bereits in vielen Köpfen „gläubiger Christen“ angekommen.
Der vermeintliche Widerspruch zwischen der von Rom angetriebenen Ökumene und freie Religionsausübung unter dem gemeinsamen römischen Dach lässt sich anhand des „Allgemeinwohls“ auflösen. So formulierte es bereits der Vatikan, dass die freie Religionsausübung gewährt ist, solange diese dem „Allgemeinwohl“ nicht zuwiderläuft. Dazu gehört auch das Unterlassen von jeglicher körperlicher und geistiger Gewalt. Das hört sich erstmal ganz gut an, wirft aber die Frage auf, wer das „Allgemeinwohl“ definiert. Was ist das „Allgemeinwohl“, bzw. wer bestimmt, was der Allgemeinheit zum Wohle ist? Das betrifft auch unmittelbar die Werte der Moral.
Deutungshoheit über das „Allgemeinwohl“
Ist die Deutungshoheit über „Allgemeinwohl“ und Moral einmal in einer einzigen Hand, so ist es auch ein Leichtes, bei dem Anschein des Wohlwollens für die Menschheit bestimmte Religionsgruppen kurzerhand auszugrenzen. Derlei Ambitionen zeigte bereits lt. CNA (2018) Papst Franziskus:
„Es ist nicht zulässig, dass Sie sie von Ihrem Glauben überzeugen. Bekehrung ist das stärkste Gift gegen den ökumenischen Weg. Bekehrung unter den Christen ist daher an sich eine Todsünde“
Die Evangelisation gemäß der Bibel braucht lediglich als „geistliche Gewalt“ definiert zu werden, welche Unfrieden in eine glücklich vereinte und ihre jeweilige Religion frei ausübende Menschheit einbringt. Mit einem Handstrich wäre die Verbreitung der frohen Botschaft strafbewehrt. Dabei reichte bereits aus, die einen jeden Sonntag zelebrierenden Menschen darauf hinzuweisen, dass das Evangelium den Sabbat (Samstag – Infos) als zu heiligenden Tag beschreibt. Das gemeinsame Dach der Ökumene ist Rom und die höchste moralische Instanz bildet der Pontifex. Dieser Leiter der Mutterkirche fast die Bekehrung als eine „Todsünde“ auf.
So ist es auch ein Leichtes, sich für Religionsfreiheit einzusetzen, wenn man auch hierfür den zugelassenen Rahmen abstecken kann. Damit bestünde zwischen der Hoheitsgewalt über die unter Strafandrohung zu glaubenden Dogmen im Mittelalter und dem angestrebten Ziel im Sinne des „Allgemeinwohls“ überhaupt kein Unterschied.