Gleich nach seiner Ankunft zum Weltjugendtag 2023 in Lissabon hielt Papst Franziskus eine Rede vor einer Delegation gewichtiger politischer und wirtschaftlicher Funktionäre. Die Agenda scheint zu stehen.
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Pontifex suchte zuerst die „Belegschaft“ auf
Papst Franziskus ist auf dem Weltjugendtag 2023 in Lissabon, Portugal eingetroffen. Dort will der Pontifex den aus aller Welt versammelten Heranwachsenden etwas über seine Weltansichten im Lichte des römisch-katholischen Katechismus erzählen. Doch bevor er zum öffentlichen Auftritt vor die Jugend schritt, hielt Franziskus „standesgemäß“ seine erste Rede vor einer ausgewählten Delegation von Funktionären aus den politischen und zivilgesellschaftlichen Sektoren. Mit dabei waren der Präsident, der Premierminister, der Parlamentspräsident und weitere Personen aus der Welt der Diplomatie. Anwesend waren auch gewichtige Figuren aus dem wirtschaftlichen Lager.
Die vom Papst vor dieser hochgestellten Delegation gehaltene Rede wurde von Vatikan News als die offizielle deutsche Übersetzung online gestellt.
Völkerverständigung – Weltoffenheit
Der Pontifex redete erst gar nicht lange um den heißen Brei herum und begann in seiner Rede sogleich mit der permanent heiß gestrickten Nadel der Völkerverständigung. Er bezeichnete die Stadt Lissabon, die Hauptstadt Portugals, als eine Stadt der Begegnung zwischen unterschiedlichen Kulturen und Völker. Dieses Thema werden „in diesen Tagen noch universaler“, so der Papst. Daher werde Lissabon in einem gewissen Maße „zur Hauptstadt der Welt“. Das Kirchenoberhaupt nahm hierzu den Lissabonner Stadtteil Mouraria ins Visier. Ein Stadtviertel, in das sich Menschen aus mehr als sechzig Ländern „in Harmonie“ versammelt hätten. Dies sei ein Beleg für den „kosmopolitischen Charakter Portugals“. Dieser Charakter habe seine Wurzeln in dem Wunsch, „sich der Welt zu öffnen und sie zu erkunden, indem man zu neuen und weiteren Horizonten aufbricht“
Zwischen den Zeilen steht oft mehr
An dieser Stelle durfte sich wohl jeder Zuhörer auswählen, ob der Pontifex die nicht gerade rühmliche Kolonialmacht Portugals ansprach, oder ob dies eine ihm vorschwebende Vision für eine offenherzige Aufnahme einer künftigen Welle neuer Ankömmlinge sein solle. Wer jegliche Ansprachen des Papstes als eine zwischen den Zeilen stehende Handlungsaufforderung versteht, der wird sicher die für ihn richtige Handlungsanweisung erkennen.
Papst schwärmt vom offenen Meer
Der Papst hat sichtlich eine Leidenschaft für das offene Meer. In einem Wall der emotionalen Philosophie huldigte er die einzigartige Lage Lissabons. Über Jahrhunderte hinweg glaubte man an dieser Stelle, sich am Ende der Welt zu befinden und dies sei in einem gewissen Sinne sogar wahr, so Franziskus. Dieses Land grenzt an den Ozean und deshalb befänden wir uns „an den Grenzen der Welt“, der die Kontinente abgrenze. „Lissabon duftet nach Blumen und Meer“, so der von Franziskus zitierte nostalgisch wirkende Titel eines in Lissabon bekannten Liedes. Es sei ein Ruf, welcher einem jeden Portugiesen in die Seele eingeprägt sei. „Klangvolles Meer, Meer ohne Boden, Meer ohne Ende“, so die Worte einer Lissabonner Dichterin. Beim nächsten Beispiel sprach Papst Franziskus jedoch schon von einem „Gebet“, das von einem anderen Dichter folgend lautete: „Gott des Meeres, gib uns mehr Wellen, Gott der Erde, gib uns mehr Meer“. Der Pontifex erklärte, dass auch er angesichts des Denkens der Portugiesen über den Ozean einige Gedanken teilen und dem Bild des Ozeans folgen wolle.
Das Meer – Die Erde – Der Dritte
Wer die Offenbarung, das letzte Buch der Bibel, einigermaßen im Kopf hat, dem dürfte nach dieser gezeigten Vorliebe für das offene Meer sofort das Kapitel 13 in Erinnerung kommen. Das Tier aus dem Meer sowie das Tier aus der Erde sind zwei der drei in diesem Kapitel vorkommenden Hauptfiguren. Der Dritte im Bunde ist der „Drache“, zusammen haben sie den Namen „Babylon„. Das vorgetragene visionäre Bild des Papstes lädt direkt dazu ein, sich ein weites Meer bis zum Horizont vorzustellen, über das die Sonne gerade erst aufgegangen ist. Ein Bild, welches auch viele der anwesenden Zuhörer mit einer verfügbaren Logen-Nummer im Kopf gehabt haben könnten, inklusive der richtigen Einordnung des Redners am Pult.
Ausflug zu heidnischen Göttern
Im Anschluss schien Franziskus vom offiziellen Katechismus abzukommen und bediente sich womöglich anderen in den Archiven des Vatikans befindlichen Literaturen. Der Papst führte die klassische Mythologie über Okeanos, der Sohn des Himmels (Uranos) an. Die Weite des Okeanos führe die Sterblichen dazu, den Blick nach oben zu richten und sich „zur Unendlichkeit hin zu erheben“. Okeanos sei aber gleichzeitig der Sohn der Erde (Gäa). Diese umarme Okeanos und lade dazu ein, „die gesamte bewohnte Welt in Zärtlichkeit einzuhüllen“. Schließlich verbinde der Ozean nicht nur Völker und Staaten, sondern auch Länder und Kontinente, so der Pontifex. Lissabon sei eine Stadt des Ozeans und das erinnere an die Bedeutung des Zusammenseins. Grenzgebiete müssten als Berührungspunkte und nicht als Grenzen verstanden werden. „Wir wissen, dass heute die großen Fragen globaler Natur sind“, so der Papst. Derzeit sei aber die Welt nicht geschlossen genug, diese Einigung anzugehen und dies bedrohe alle. Die Kriege, die Ungerechtigkeiten und die Klima- sowie Migrationskrisen schritten schneller voran „als die Fähigkeit und oft auch der Wille, diesen Herausforderungen gemeinsam entgegenzutreten“.
Der katholische Katechismus entblößt
Der Griff in die Mythologie-Kiste des Pontifex war nur ein scheinbares Abschweifen vom Katechismus. Tatsächlich sind diese vorgetragenen „Geschichten fremder Gottheiten“ in den Katechismus implementiert, jedoch in einem christlichen Gewand. Allein schon die „Erhebung zur Unendlichkeit“ des Sterblichen ist im Katechismus der Kirche Roms zu finden. Der „Sterbliche“ verfüge über eine unsterbliche Seele und Jesus Christus sei in diese Welt gekommen, um den Menschen zu „vergöttlichen“. Darüber hinaus ließen sich die vom Papst genannten Figuren und deren Konstellationen auch austauschen mit den Namen Osiris, Horus und Isis. Ob die Erde nun Gäa und Gaia genannt wird, ist hier ebenfalls unerheblich. Es handelt sich um eine Naturverehrung mit den im Hintergrund stehenden heidnischen Göttern Babylons und Alt-Ägyptens. Eine u.a. vom Franziskus von Assisi gepflegte Ideologie und heute neu aufgesetzt unter der Bezeichnung „Laudato si‚“.
Die vom Papst beschriebene „Zärtlichkeit der Umarmung“ kann hier durchaus als vergifteter, zuckersüsser Wein aufgefasst werden. Der von ihm eingeläutete Strategiewechsel gegenüber seinem Vorgänger Benedikt XVI. ist nicht zu übersehen.
Papst träumt vom Friedenstifter Europa
Für Europa hatte Papst Franziskus ebenfalls ein paar wohlwollende Worte übrig. Immerhin wurde in Lissabon am 23. Juli 2007 ein wegweisender EU-Vertrag unterschrieben (Vertrag von Lissabon). Das darin vom Papst hervorgehobene erklärte Ziel sei es, „den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.“ In der Beziehung zur übrigen Welt werde versichert, einen Beitrag „zu Frieden, Sicherheit, globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und gegenseitige Achtung unter den Völkern, zu freiem und gerechtem Handel, zur Beseitigung der Armut und zum Schutz der Menschenrechte“ zu leisten. Lissabon könne hier beschleunigend einwirken.
Die Welt brauche Europa, so der Papst, das wahre Europa. Dieses brauche seine „Rolle als Brückenbauer und als Friedenstifter in dessen östlichem Teil, im Mittelmeerraum, in Afrika und im Nahen Osten“.
Der Pontifex gab zu verstehen, dass er von einem Europa „als dem Herzen des Westens“ träume. Der Einfallsreichtum müsse für das Löschen von Kriegsherden eingesetzt und Lichter der Hoffnung entzündet werden. „Ein Europa, das es versteht, seine junge Seele wiederzuentdecken, das von der Größe des Zusammenseins träumt und über die Bedürfnisse des Augenblicks hinausgeht“. Dieses Europa müsse Völker und Menschen einbeziehen, ohne dabei „ideologischen Theorien und Kolonialisierung hinterherzulaufen“, so der Papst.
EU oder Europa? Egal – Agenda steht
Dass auch der Papst die Begriffe „Europäische Union“ und Europa in einen Topf wirft, sei mal dahingestellt. Immerhin nimmt die Europäische Union weniger als die Hälfte der Fläche der USA ein, aber Europa eine größere Fläche als die USA. Soviel zum dezenten Unterschied. Doch der Pontifex scheint mit seiner Ansprache das Aufgabengebiet dieser politisch-wirtschaftlichen Ländervereinigung abgesteckt zu haben. Wenn der Pontifex von einem einflussreichen „Europa“ träumt, dann von einem „Europa“, wie es zwischen dem 6ten und Ende des 18ten Jahrhunderts gewesen ist. Er selbst, der „einzig und wahre höchste Brückenbauer“ natürlich in einer erhobenen Position der globalen Übersicht. Mit der Erwähnung, Europa habe eine „junge Seele“, die wiederentdeckt werden müsse, gab Franziskus den Anwesenden wohl eine Rätselaufgabe mit auf den Weg nachhause. Kontinental-Europa und die darauf lebenden Völker haben immerhin eine mehr als 2000-jährige Geschichte hinter sich. Das Narrativ, EU sei mit Europa gleichzusetzen, scheint wohl auch auf der Agenda des Vatikans zu stehen.
Die Adressaten haben wohl verstanden
Die vor den Regierenden und „Mächtigen“ der Wirtschaft gehaltene Rede des Papstes kann ruhig als Positionspapier samt Arbeitsanweisung verstanden werden. Chef, Mitarbeiter, Wirkungsbereich und Aufgaben sind vom Papst klar definiert worden. Welcher Ecke sein „theologische Hintergrund“ entspringt, ist ohnehin nicht zu übersehen. Die Botschaft des Papstes wird bei den Angesprochenen sicher angekommen sein.