Nach erheblicher Verzögerung ist nun die mit „Furcht und Spannung“ erwartete Studie über die Missbrauchsfälle in den deutschen Landeskirchen veröffentlicht worden. Die Zahlen sind derart hoch, dass schon das vorherige Durchsickern eines Zwischenstandes das Potenzial für Rücktritte gehabt haben könnte.
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Missbrauchs-Studie hat es in sich
Die einst protestantischen und sich noch immer evangelisch nennenden Kirchen in Deutschland scheinen ihrer Mutterorganisation, die römisch-katholische Kirche, offenbar in sämtlichen Disziplinen nachzueifern. Neben der schleichenden, aber beständig erweiterten Übernahme der Evangeliums-fremden Lehren des katholischen Katechismus scheinen die Verantwortlichen der sich evangelisch nennenden Tochter auch bei den Übergriffen auf Schutzbefohlene um nichts nachstehen zu wollen.
Die mit „Spannung“ erwartete Missbrauchs-Studie der hierfür eingerichteten Untersuchungskommission „ForuM“ hat gestern das erste Ergebnis veröffentlicht (Quelle). Die Zahlen sprechen für sich. Nicht nur und in der „Quantität“, sondern auch in der „Qualität“ gleichen die Landeskirchen ihrer Familienhäuptin mit Hauptquartier in Rom zusehends.
Eine Studie zum Selbstzweck?
Man muss sich in dieser im Vorfeld schon beinahe hoch gefeierten und vollständig „durchgegenderten“ ForuM-Studie so richtig durchwühlen, bis man in dem 864 Seiten starken Werk irgendwann auf aussagekräftige Absolut-Zahlen stößt. Umso erstaunlicher ist, dass einige Medien schon kurze Zeit nach der Veröffentlichung soviel darüber zu wissen „wussten“. Ab Seite 610 dieser Studie im Wälzer-Format trifft man auf zusammengefasste Zahlen.
Die Zahlen zu den Beschuldigten
Demnach wurde in der Untersuchung insg. 1.386 Beschuldigte festgemacht. Anteil waren von diesen Tätern 1.182 männlich (85,3 %) und 180 weiblich (13,0 %). 24 Beschuldigte (1,7 %) waren unbekannten Geschlechts. Mehr als die Hälfte (805, 55,6 %) der Beschuldigten waren Mitarbeiter einer Landeskirche und 615 (44,4 %) waren Mitarbeiter der Diakonischen Werke. Bemerkenswert ist, dass der Anteil der Beschuldigten einer Landeskirche mehrheitlich (73,7 %) aus „sonstigen Quellen“ identifiziert wurden. Zu den „sonstigen Quellen“ zählen auch die internen Aufarbeitungen der Landeskirchen. Genau umgekehrt ist es dagegen bei den Diakonischen Werken. Lediglich ein Anteil von 2,1 Prozent der Beschuldigten wurde aus „sonstigen Quellen“ ermittelt und 97,9 Prozent aus den bei der Unabhängigen Kommission eingegangenen Meldungen.
Von den insg. 1.386 Beschuldigten waren 387 (27,9 %) Pfarrpersonen, 696 (50,2 %) berufliche Mitarbeiter, 92 (5,8 %) ehrenamtlich Beschäftigte und 209 (15,1 %) sonstige Gruppen.
Die Zahlen zu den Missbrauchsopfern
Die Studie (ab Seite 612) beziffert insgesamt 1.582 identifizierte Missbrauchsopfer. Davon waren 875 männlich (55,3 %) und 608 weiblich (38,4 %). Als „unbekannten Geschlechts“ wurden 99 (6,3 %) Betroffene eingestuft. Die Erfassung der Missbrauchsopfer erfolgte anteilig zu 42,1 Prozent aus „sonstigen Quellen“ und zu 57,9 Prozent aus den Eingängen bei der Kommission.
Opfer sexualisierter Gewalt durch Mitarbeiter einer Landeskirche wurden gemäß der Studie 54,1 Prozent der Opfer und 45,9 Prozent durch Mitarbeiter eines Diakonischen Werkes.
Wie auch bei den Tätern war die Bereitschaft der Landeskirchen, die intern registrierten Missbrauchsfälle preiszugeben, nicht vollständig entfaltet. Immerhin 28,9 Prozent der Vorfälle durch Mitarbeiter von Landeskirchen wurden anhand der bei der Untersuchungskommission eingegangenen Meldungen identifiziert. Der größere Anteil von 71,1 Prozent stammt aus „sonstigen Quellen“. Bei den Diakonischen Werken betrug der Anteil aus „sonstigen Quellen“ bei lediglich 7,9 Prozent, während die Melde-Eingänge bei der Kommission einen Anteil von 92,1 Prozent einnahmen.
Von sämtlichen Missbrauchsopfern im Kreise der evangelischen Kirche waren 778 Opfer jünger als 14 Jahre, 512 im Alter zwischen 14 und 17 Jahre und 50 mindestens 18 Jahre alt.
Von den insgesamt 20 Landeskirchen im Bundesgebiet zeigt sich ein unterschiedlicher Wissensstand über Missbrauchsfälle, die bei der Untersuchungskommission gemeldet wurden. 8 Landeskirchen gaben lt. der Studie an, dass in den Akten entsprechende Strafverfahren vorzufinden seien. In 10 Landeskirchen seien überhaupt keine Verfahren in den Akten vermerkt und in 2 Landeskirchen zeigte man sich unwissend, ob ein Verfahren überhaupt vorliege.
Auch bei den „sonstigen Quellen“, die auch die internen Angaben der Landeskirchen selbst umfassen, zeigt sich ein ähnliches Bild. 9 Landeskirchen hatten entsprechende Strafverfahren vermerkt. In 3 Landeskirchen wurden dagegen keine Verfahren gegen Beschuldigte geführt. 8 Landeskirchen hielten sich mit Angaben zurück.
Kirchen so bunt organisiert wie ihre Ideologie
Die Studie beschreibt die Zusammenarbeit mit den Landeskirchen als eine große Herausforderung (Seite 722). Neben zeitlichen Verzögerungen kamen noch verweigerte Umsetzung und daraus folgende große Anpassungen der ursprünglich geplanten Handlungsweisen hinzu. Aufgrund der kirchlichen Struktur des Föderalismus handhabten die unabhängig voneinander agierenden Landeskirchen die Aufarbeitung teils enorm unterschiedlich. Eine Verzögerung von einem Jahr resultierte aus dem Abwarten, bis alle Landeskirchen ihr Verständnis des Umgangs mit sexualisierter Gewalt und auch ihre Kenntnisse über den Umfang dieser Gewalt mitteilten.
Selbst Vorgaben der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), z.B. die Trennung von Personalakten und Sachakten wurden demnach sehr unterschiedlich gehandhabt. Zahlreiche Akten, die auch sexualisierte Gewalt dokumentierten, wurden ohne Schlagwort-Vergabe abgelegt und daher nur nach großer Verzögerung aufzufinden. Derlei Akten über intern festgestellten Missbrauch wurden „dauerhaft aufbewahrt und nicht kassiert“. 12 Landeskirchen können daher nicht ausschließen, dass derlei Unterlagen nicht schon längst vernichtet wurden.
Wie die Mutter so auch die Tochter
Den nun jüngst zumindest bekannten 1.582 Missbrauchsopfern in den evangelischen Landeskirchen stehen 1.839 festgestellte Missbrauchsopfer innerhalb der römisch-katholischen Kirche gegenüber (Stand Februar 2023 – Info). Die römisch-katholische Kirche zahlte bereits etwas mehr als 40 Millionen Euro Entschädigung an die Opfer. Mit Stand Januar 2023 leisteten die evangelischen Kirchen an die von ihren Mitarbeitern zu verantwortenden Opfer rund 9,6 Millionen Euro (Quelle). Auf eine weitere Gegenüberstellung kann gerne verzichtet werden, denn es handelt sich nicht um eine Sport-Disziplin. Sicher kann man jedenfalls abschätzen, dass es sich mit den in der Mutter- und Tochter-Organisation festgestellten Fällen nur um eine kleine Teilmenge des Gesamten handelt. (Thema Missbrauch)
Diese aktuellen Zahlen zeigen den Zustand in den Landeskirchen auf. Nicht gerade einladend für noch außenstehende Menschen und vielmehr ausladend für die noch zugehörigen Menschen. Die Bundesländer zahlten den katholischen und evangelischen Kirche aus Steuermitteln mehr als 600 Millionen Euro pro Jahr (Quelle), zusätzlich zu den von den Kirchen eingenommenen Kirchensteuern ihrer Mitglieder. Ein Relikt aus der Weimarer Zeit. Ein Thema, was neben der Aufarbeitung der chronischen Missbrauchsfälle in diesen Kirchen ebenfalls mal zügig und abschließend behandelt werden sollte.
Schockwelle kommt nicht ungelegen
Es ist durchaus zu erwarten, dass die ohnehin schon sehr hohe Welle der Austrittszahlen aus beiden Organisationen noch an Höhe zunehmen wird. Während die Kirche Roms schon aus „genetischer Festlegung“ an ihrer Existenz nicht fürchten muss, herrscht in der Tochter-Organisation aus Landeskirchen berechtigterweise eine Sinnkrise. So wie die römisch-katholische Kirche seit dem 4. Jahrhundert ihre Legitimierung als Vertreterin des Evangeliums beschleunigt sukzessive demontierte, ist dies der einst protestantischen Organisation in einem viel schnelleren Zeitraum gelungen. Aber dies dank der massiven Interventionen ihrer Mutter.
Die Massenflucht und damit verbundene Heimatlosigkeit der noch immer nach Heil suchenden Menschen kommt hier nicht ungelegen. Eine Ersatzreligion ist bereits installiert und wartet mit Sehnsucht auf einen regen Zulauf (Info). Einzig wichtig für die Macherin dieser Alternativ-Religion, abermals die Kirche Roms, ist die endgültige Lossagung vom Evangelium.