Der Wahlkampf in Polen rief auch die römisch-katholische Kirche auf den Plan. Nicht, wie man vermutete, um kräftig mitzumischen, sondern zum Ausruf zur ausgeübten Askese. Doch diese dargestellte Zurückhaltung wirkt nicht wirklich überzeugend.
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Katholische Kirche müsse sich politisch zurückhalten
In Polen sind inzwischen die politischen Werbeveranstaltungen für den künftigen Regierungschef gestartet. Die Parteien haben sich positioniert und beziehen ihre jeweiligen Stellungen. Der Wahlkampf läuft bis zum voraussichtlichen Wahltag am 15. Oktober 2023. Die nächsten Wochen kommt somit kaum ein Pole am Thema Politik vorbei, außer dieser befindet sich in eines der zahlreichen katholischen Kirchen.
Partei nicht geradeaus benennen
Der designierte Kardinal Grzegorz Ryś möchte weder Wahlkampf noch Politik im Allgemeinen in der Kirche haben. „Politik gehört nicht auf die Kanzel“, so die Ermahnung des künftigen Kardinals, wie Vatikan News berichtete. Im Gespräch mit der polnischen Nachrichtenagentur PAP forderte der Erzbischof von Łódź die Priester zur eigentlich ihrer obliegenden Askese auf. Man dürfe nicht „geradeaus“ sagen, „wählt diese oder jene Partei“. Dies sei inakzeptabel.
Alles relativ, auch die Kirche
Die bereits sehr flexible Aussage relativierte der künftige Kardinal noch zusätzlich. Die Nachrichtenagentur fragte nach, worin die katholische Kirche ihre Rolle innerhalb der Wahlkampfzeit eigentlich sehe. Für den Erzbischof hänge die Antwort davon ab, wie nun Kirche definiert werde. „Wenn Kirche – und darauf bestehen wir ja immer – die Gesamtheit der Getauften meint, dann haben Laien das Recht zur Teilnahme am politischen Leben, das ist klar“, so Ryś. Die Welt nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, sei auch das Recht eines getauften Laien. Das gelte für getaufte Laien ebenso wie für ihn selbst. Kein Recht bestehe jedoch für die Beteiligung an der „sogenannten Realpolitik“. Dies sei offenkundig und betreffe einen jeden Kleriker.
Ein Geistlicher habe nur dann ein Recht auf politische Äußerungen, wenn diese moralischer Natur seien. Hierfür gebe ein gutes Beispiel der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, ab. Dieser kritisierte die britische Migrationspolitik. Denn damit habe Welby keine Politik betrieben, sondern eine moralische Bewertung abgegeben.
Kirche Roms sei ein Sakrament
Der Erzbischof von Łódź bezieht sich auf eine Passage in der Dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“ des Zweiten Vatikanischen Konzils:
„Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“
Der Kirche müsse es um die Schaffung von Einheit gehen und nicht, bestehende Polarisierungen zu verschärfen oder neue zu schaffen. „Wir haben uns im Zweiten Vatikanum selbst so definiert. Manchmal denke ich aber, es kommt uns nur so vor, als ob“, so Ryś.
Der künftige Kardinal erinnert daran, dass es bei päpstlichen Liturgien nicht vorkomme, dass Reden von Politikern gehalten werden. „Sie begrüßen und verabschieden sich – das war’s“.
Auch zum Thema Abtreibung betreibe die katholische Kirche keine politische Einmischung. Die Lehre der Kirche sei zu diesem Thema offenkundig, und diese Doktrin könne keinesfalls geändert werden. „Sie wurde von Papst Johannes Paul II. endgültig und unfehlbar proklamiert“, so der Erzbischof.
Direkt nicht, aber dafür indirekt
Der designierte Kardinal hält es zwar für inakzeptabel, von der Kanzel gezielt für eine Partei zu werben und auch ihren Namen zu nennen, aber gilt das auch für die Ausrichtung der vorbereiteten Predigt? Wenn man schon die Deutungshoheit über die Moral für sich beansprucht, kann diese exakt so formuliert und der zuhörenden Gemeinde vortragen werden, dass sie eben passgenau mit dem Wahlprogramm eines der kandidierenden Parteien übereinstimmt. Hierfür eignen sich die Themen Abtreibungen und Migration ohnehin sehr gut. Wohl sei der Partei, deren Moralvorstellungen die des „unfehlbaren Urteils“ des vorletzten Papstes entsprechen. Hier zählt eben nur der „gute Wille“.
Wie weit das Selbstverständnis dieser Kirche und damit auch dieses künftigen Kardinals ausgeartet ist, zeigt die von Ryś dargelegte Aussage aus dem „Lumen Gentium“. Die römisch-katholische Kirche hält sich selbst für ein Sakrament, also für die Menschen Heil-entscheidend. Hinzu kommt eine vollständig ins Gegenteil verdrehte Aussage des Evangeliums, „die Einheit der ganzen Menschheit“. Dieses Ziel existiert im Evangelium nur insofern, als der Widersacher Gottes genau dies versucht, um gemeinsam, mit der vereinigten Menschheit gegen Gott Rebellion zu führen.
Kirche Roms ohne Einmischung in die Politik?
Hier stellte sich die Frage, ob die Kleriker während vom Karl Rahner SJ dirigierten Zweiten Vatikanischen Konzils etwas verwechselt haben, oder ob der „Gott“ der römisch-katholischen Kirche ein ganz anderer ist als derjenige, den sie immer dazustellen versuchen. Jesus Christus verneinte eine in Frieden lebende gesamte Menschheit glasklar, so in Matthäus 10,34-36:
„Ihr sollt nicht meinen, daß ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert! Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Feinde des Menschen werden seine eigenen Hausgenossen sein.“
Der künftige Kardinal kann lamentieren, wie er möchte. Eine römisch-katholische Kirche ohne Einmischung in die Politik wäre nicht die römisch-katholische Kirche. Die im Jahr 1798 erteilte „tödliche Wunde“ ist längst wieder geheilt.
Bibelverse aus Schlachter 2000