Die Erzdiözese München-Freising unter dem Erzbischof Reinhard Marx hat so ihre ganz eigenen Vorstellungen, wie mit den in ihrem Haus sexuell missbrauchten Schutzbefohlenen umzugehen sei. Man nimmt sie mit auf eine Fahrradtour, gemeinsam, die Tatorte der Verbrechen besichtigen. Man dürfe diese Taten schließlich nicht vergessen.
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Fahrradfahren mit den Missbrauchsopfern
Während die Missbrauchsopfer der evangelischen Kirche in Hannover mit Nachdruck den Rücktritt des Landesbischofs Ralf Meister fordern, scheinen die Opfer sexualisierter Gewalt im katholischen Einzugsbereich der Erzdiözese München-Freising eine Genugtuung durch Spazierfahrten mit dem Fahrrad zu erreichen. Dies auch noch mit der Aussicht, in der römisch-katholischen Kirche zu einer „prophetischen Stimme“ erhoben zu werden. Diesen Eindruck könnte man durchaus erhalten, wenn man den Worten des verantwortlichen Erzbischofs München-Freising, Reinhard Kardinal Marx Glauben schenken wollte.
Im Bistum Münster kam man dagegen auf eine andere Idee. Man pflanzt für die Missbrauchsopfer dieser Kirche eine ganze Reihe von Trauer-Blutbuchen und stellt davor Gedenktafel auf. Diese sollen die Erinnerung an die Opfer sexualisierter Gewalt lebendig halten.
Kardinal Marx sehr „beherzt“ bei der Sache
Für Kardinal Marx scheint die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle innerhalb seines Verantwortungsbereichs eine echte Herzensangelegenheit zu sein. Er betone eine schnelle und gründliche Aufarbeitung. Diese müsse aber lebendig gestaltet sein. „Ein gemeinsames Projekt, ein aktiver Kampf gegen das Vergessen“, so Marx (Quelle).
Das Erzbistum München-Freising rief für den „Kampf gegen das Vergessen“ eine mehrtägige Radreise zusammen mit den Missbrauchsopfern ins Leben. Zu den angefahrenen Domizilen gehörten auch Diözesen mit Fällen sexualisierter Gewalt innerhalb dieser Kirche. Man fuhr also mit den Opfern zum Tatort, um somit dem „Vergessen“ vorzubeugen. Die zu transportierende Botschaft für die Aktion lautete „Solidarität, Wertschätzung, Hilfe und Unterstützung“.
Opfer sind prophetische Stimmen
In seiner Ansprache zeigte sich Marx sichtlich erfreut über den Stand der Dinge. Der Weg sei noch nicht zu Ende, aber er sei froh darüber, dass „wir gemeinsam so weit gekommen sind“. Der Kardinal beteuerte, dass dieser beschrittene Weg auch seinen Glauben „zutiefst verändert“ habe. Die Begegnung mit den Betroffenen habe ihn „tastender und unsicherer“ gemacht. Dies sage er mit dem Blick auf „das Versagen der Kirche und das Nicht-wahr-haben-wollen am Anfang“.
Der Erzbischof und damit vollumfänglich Verantwortliche für die Erzdiözese mit den per Fahrrad besuchten Tatorten hatte auch tröstliche Worte auf Lager. „Christus steht an der Seite der Verwundeten, der Verletzten, der Missbrauchten. Deshalb müssen auch wir an ihrer Seite stehen“, so Marx. Der beharrliche Einsatz der vom sexuellen Missbrauch Betroffenen für die Aufarbeitung habe sie zu einer prophetischen Stimme in der Kirche gemacht, so der Kardinal.
Mindestens Realitätsferne
Reinhard Kardinal Marx wird seiner Rolle als die „laufende Sprechblase“ wieder gerecht. Der „neue Glaube“, wie er selbst ausdrückte, bezieht sich wohl vielmehr auf neu gewonnene Erkenntnisse darüber, wie weit die Ermittler tatsächlich Kenntnisse über die Art und Vielzahl der Missbrauchsfälle besitzen. Kaum anzunehmen, dass die Kirche die Fälle unaufgefordert zutage trugen. Das Feingefühl, die Brillanz und vor allem die Empathie für die Missbrauchsopfer ist beim Erzbischof etwa derart gestaltet wie die kalt-grauen Mauern der einstigen Verliese.
Der von Marx betonte „Kampf gegen das Vergessen“ ist bereits Beleg genug, dass es mit der Nähe zur Wirklichkeit nicht besonders gut bestellt sein kann. Die Amnesie, wie es auch das politische Alltagsgeschäft belegt, ist in der Regel die erste Wahl des Täters und nur in schweren Ausnahmefällen ein Schicksal des Opfers.
Vielmehr kann man davon ausgehen, dass nur das bedauert wird, was nicht mehr vertuscht werden kann. Denn das „Nicht-wahr-haben-wollen am Anfang“ klang im März dieses Jahres aus seinem Mund noch nach: „allzu lange ist in der Kirche Missbrauch geleugnet, weggeschaut und vertuscht worden“ (Quelle).
Frechheit siegt
Ein vergeblicher Versuch, durch rhetorisch leere Worthülsen, diese nur „populär“ platziert, die virtuellen Hände der Kirche in unwissende Unschuld zu waschen. Die Kirche, eine notorische Täterin, die nicht anerkennen will, dass sie selbst das Problem ist. Um dies zu kompensieren, versucht sich diese Institution sogar noch Problemlöserin. Ist das Frechheit, Realitätsferne oder gar pathologisch? Kardinal Marx verwendete für das Absondern seiner leeren Worthülsen immerhin das „wir“. Ein „ihr“ oder ein „euer“ hätte seine Glaubwürdigkeit als Erzbischof dann wohl doch den offiziellen Garaus bereitet.
Sogar „Christus“ (ist überhaupt Jesus Christus gemeint?) wird ins gemeinsame Boot gezerrt, sich solidarisch nebenan gesetzt, um gemeinsam den Trost und womöglich auch noch „Schutz“ für die Betroffenen zu spenden. Sollte da etwa Hohn und Spott zum Vorschein kommen? Mehr über das Thema Missbrauch durch die Kirchen – hier.
auch werde ich an jenem Tag alle diejenigen strafen, welche über die Schwelle springen, die das Haus ihres Herrn mit Frevel und Betrug erfüllen.
Zephanja 1,9
Bibelverse aus Schlachter 2000