Kardinal Marx erhielt wieder eine Möglichkeit, auf den Verlauf der gesellschaftlichen Belange seinen Kommentar abzugeben. Demokratie basiere auf christlichen Werten. Mit dem Blick auf geschichtliche Kenntnisse seine Kirche betreffend, scheint es der Geistliche nicht so genau zu nehmen. Oder gar ein Blackout?
Inhalt / Content
Kardinal Marx beglückt mit seiner Einschätzung
Wenn Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, der Öffentlichkeit etwas erklärt, dann darf man gespannt sein, ob in der gewohnheitsmäßigen Aneinanderreihung leerer Worthülsen auch etwas Substantielles zu finden ist. Kann tatsächlich Substanz erfasst werden, dann entpuppt sich der Inhalt meist als ein Hochhalten eines gepflegten Narratives der römisch-katholischen Kirche. So auch bei seinem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung zum Thema Demokratie und ihrem Ursprung, wie CNA berichtete (Quelle).
Der Autor mehrerer Bücher, darunter eines mit dem Titel „Freiheit“, erklärte im Interview, dass „unsere Demokratie“ auf dem christlichen Menschenbild basiere. Das christliche Menschenbild beschreibe aber auch, dass Freiheit nicht als ein „grenzenloser Narzissmus“ verstanden werde, sondern ein Zusammenleben mit gegenseitiger Verantwortung. Dies sei eine „wesentliche Grundlage für die Zukunft unseres Gemeinwesens“. Daran entscheide sich, ob die Demokratie zukunftsfähig sei.
Zerfall globaler Ordnung
Die globale Ordnung befinde sich in einem Zerfall, so der Kardinal, der diese Entwicklung als „Zivilisationsrückschritt“ erlebe. Derzeit stehen erneut das „Denken in Interessen und Mächten im Vordergrund, weniger die Moral oder Menschenrechte“. Dies schlage auf die Bevölkerung um. Das könne beobachtet werden an der Polarisierung, an den Aggressionen, verbalen Attacken und Gewalt.
Wandlung der Kirche
Die Kirche befinde sich auf dem Weg des Wandels, so Marx. Heute funktioniere es nicht mehr, dass eine Institution den Leuten sage, wie man denken und leben solle. Eine solche Einrichtung komme immer stärker unter Druck. Es funktioniere heute nicht mehr, wenn eine Institution sagt, dass sie wisse, was Gott über die Menschen denke. Die Kirche spreche bereits seit Jahrzehnten von einer „Krise der Institutionen“.
Trotz aller Probleme gelte, dass Gott das letzte Wort der Geschichte habe. Die Christen seien dazu aufgerufen, diese Erkenntnis in die Gesellschaft einzubringen, so der Kardinal. Der Mensch habe immer Hoffnung, obwohl dieser Elend und Leid erlebe. Marx beschreibt ein gemeinsames Ziel und erklärt, dass er an einen liebenden Gott glaube, der uns erwarte.
Des Kardinals Unkenntnis der Historie?
Die vom Kardinal zelebrierte Welt, bzw. globale Ordnung ist klar geprägt von der katholischen Soziallehre, weniger vom Evangelium. Der Bezug zum Wort Gottes fehlt bereits an seiner These, die Demokratie beruhe auf christlichen Werten. Ist der Erzbischof von München und Freising derart Geschichte-vergessen?
Wann und unter welchen Umständen ist die Demokratie in Europa aus dem Boden gestampft worden? Hier kommt auch den geschichtlich eher wenig Interessierten sofort die Französische Revolution und die Feldzüge Napoleons in den Sinn. In diesem Zuge sind die Monarchien radikal beseitigt worden. Eine Revolution gegen die über Jahrhunderte anhaltende Ordnung des Königtums, mit den im Freiland gehaltenen Leibeigenen. An der Spitze dieser Ordnung befand sich das Papsttum mit Sitz in Rom. Der quasi Kaiser nach römischen Vorbild über die Regenten der einzelnen Regionen. Im Zentrum das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“.
Politisches Papsttum wurde abrasiert
Doch auch der regierende Papst verlor im Zuge der Französischen Revolution – wohl für Kardinal Marx noch immer sehr schmerzlich – das Zepter samt Weltkugel aus den Händen. Der von Napoleon beauftragte General Berthier marschierte „ohne Audienz-Termin“ am 15. Februar 1798 in den Petersdom des Vatikans, entfernte Papst Pius VI aus seinen Gemächern und erklärte diesen für abgesetzt (Info). Es gab keinen Papst mehr. Eine Sensation.
Schon im Vorfeld räumte die von den Jakobinern angeführte Revolution mit jeglicher Religionsausübung auf. Die Kleriker, ganz besonders jene vom Dominikaner-Orden, wurden beseitigt. Es kam sogar zu einem Verbot jeglicher Religion, samt Verbrennungen von Bibeln und weiteren geistlichen Schriften. Stattdessen krönten die Revolutionäre eine Prostituierte im Notre-Dame Paris zur „Göttin der Vernunft“. Die menschliche Vernunft als Ersatz für das Christentum. Exakt aus diesem Geist sind Humanismus und Demokratie geboren.
Es ist daher absolut schleierhaft, wie Kardinal Marx auf die Idee kommt, „unsere Demokratie“ basiere auf christliche Werte. Die in Frankreich im Jahr 1789 für die Gründung der Demokratie feierlich deklarierten Menschenrechte können in Bezug zu Politik und Staat den christlichen Werten nicht noch mehr entfernt sein (Info). Das sollte der eigentlich belesene Kardinal Marx nicht übersehen haben.
Ausgelebte katholische Soziallehre
Kardinal Marx fährt natürlich auf der Schiene der katholischen Soziallehre, unterstrichen von der Enzyklika Fratelli Tutti (2020) von Papst Franziskus, begründet mit der Enzyklika Laudato Si‘ (2015), ebenfalls von Franziskus verfasst. Der von Marx beschriebene Wandel der Kirche entspricht lediglich der gewechselten Haut einer Schlange. Eine etwas geänderte Musterung, aber absoluter Machtanspruch, eingeforderter Gehorsam, Führungsanspruch und das Monopol für Glaubensfragen blieben unverändert seit Bestehen dieser Institution. Der einst offen gezeigte Stil der nicht zu hinterfragenden Autorität ist derzeit noch die Zurschaustellung einer um das Wohl der Menschheit umsorgten Kirche. Aber selbst diese Maske der aktuell noch praktizierten Scharade wird vom wahren Gesicht genommen werden, sobald die internationale Politik und deren Führungsgestalten ihre Macht dem „Kaiser Roms“ übergeben haben.
Eine Krise, wie diese vom Kardinal beschrieben wurde, existiert in der Kirche Roms nicht wirklich. Wenn, dann trifft dies auf die zurückgekehrten Töchter der einst protestantischen Kirchen zu. Es hat direkt den Anschein, als wenn die Mutter ihre Töchter anhand ihrer vermittelten Ideologien ihre eigenen Töchter in den Suizid treibt. Die Verantwortlichen dieser Kirche scheinen ihre turbulente Fahrt auf dem Wasserfall ins Nichts in ihrer Selbstergriffenheit gar nicht zu bemerken. Es sei, es herrscht eine innig liebende Zusammenarbeit mit der Mutterkirche vor. Gemeinsam mit dem (scheinbaren) Untergang der römischen Kirche als „Volkskirche“ liefe alles „wie am Schnürchen“. Offenbarung 11, die im lokalen Bereich die Französische Revolution beschreibt, wird sich als ein Antitypus auf globaler Ebene wiederholen (Info).
Rom bestimmt das Allgemeinwohl
Was die römisch-katholische Kirche als Freiheit, insbesondere Religionsfreiheit versteht, hat sie selbst erklärt und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) wieder bekräftigt. Das Motto lautet, „Die Religionsfreiheit im Dienste des Allgemeinwohls“ (Quelle). Solange diese „Freiheiten“ im abgesteckten Korridor des „Allgemeinwohls“ verbleiben, gibt Rom grünes Licht. Wie das „Allgemeinwohl“ bzw. die Grenzen zwischen Erlaubten und Unerlaubten aussehen, bestimmt die Kirche. Das fängt bereits mit grundlegenden Angelegenheiten an, wie die folgende Aussage belegt: „Jede Religion muss sich im Lichte einer vom Glauben erleuchteten Vernunft dem Prozess ständiger Läuterung und Umkehr unterwerfen„.
Die römisch-katholische Kirche gibt damit in ihrer „unübertrefflichen Bescheidenheit“ vor, was andere Religionen zu tun und zu unterlassen haben. „Die Mutter aller Kirchen“, wie sie leibt und (noch) lebt.
Eine Zwischenbilanz auf dem Weg
Die Erklärungen von Kardinal Marx sind, was sie sind. Eine zwischenzeitliche Bestandsaufnahme vom Lauf der Dinge, etwas Irreführung und sonst nur Gerede um den heißen Brei. Die Agenda wird fortgesetzt, bis eben das Ziel erreicht ist. Der Zerfall der Gesellschaft, wie es Marx hervorhob, muss natürlich mit einer neuen Ordnung abgefangen werden. Eine „neue Ordnung in dieser Welt“, so wie es auch Papst Johannes Paul II, Papst Benedikt XVI und auch Franziskus forderten, und was bereits vom einstigen Präsidenten George Bush (Senior) brav ausgesprochen wurde.
Mann könnte Kardinal Marx alles Mögliche unterstellen, wenn man nur wollte. Aber Eigen- und Starrsinn, geschweige Dummheit sind nicht dabei. Er hätte ansonsten nicht die Stellung eines Aufsehers (Bischof) in der Rolle eines Kardinals inne. Zum Kardinal ernannt, noch von Benedikt XVI, aber auch sehr schnell erkannt, dass ein jegliches Festhalten an herkömmlichen Traditionen unter Papst Franziskus sehr schnell zu einer „klerikalen Nicht-Existenz“ führen kann. Mit Franziskus kam ein Jesuit an die Spitze. Eine Premiere in dieser Kirche. Die Bruderschaft, derzeit rund um den General Oberen Arturo Sosa Abascal (Venezuela), alles erfahrene Spezialisten für „strukturelle Veränderungen“, scheuen auch nicht vor punktuellen, harschen Maßnahmen zurück. Dies dürfte Marx durchaus verinnerlicht haben.
Auf der Agenda steht nun mal die Zusammenführung von Kirche und Staat, wie es einst im finsteren Mittelalter der Fall gewesen ist. In diesem Licht ist es nachvollziehbar, dass Marx eine direkte Linie zwischen (religiösem) Christentum und der (politischen) Demokratie zieht. Diese Selbstverständlichkeit hinkt aber, und zwar gewaltig.
Dieses Ziel, eine „neu geordnete Welt“ mit dem „Anbetungswürdigen in Rom“ an der Spitze, wird dieser Kirche auch erreichen. Der mit offenen Augen geführte Blick in diese Welt zeigt deutlich, dass jeder, der auch nur auf einem etwas abgehobenen Sessel residiert, dem „Tier mit der geheilten Wunde“ verwundert nachsieht. Wehe dem, der diesem Tier nachfolgt und Ehre erweist – Info.
Und ich sah einen seiner Köpfe wie zu Tode verwundet, und seine Todeswunde wurde geheilt. Und die ganze Erde sah verwundert dem Tier nach.
Offenbarung 13,3
Bibelverse aus Schlachter 2000