Käßmann: Verbale Angriffe im Netz sind neuer Hexenwahn

Hexenwahn

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Die im Mittelalter durchgeführte grausame Hexenverfolgung dient als Parallele zu den im Internet tobenden Haß-Parolen gegenüber anderen Menschen. Die Theologin Käßmann setzt verbale Angriffe gegen Frauen mit dem Verfolgungswahn in den dunklen Zeiten unter der katholischen Kirche gleich. Letzteres vergaß sie jedoch zu erwähnen.

„Moderner Hexenwahn im Internet“

Margot Käßmann, die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), will in der heutigen Gesellschaft einen „modernen Hexenwahn“ erkennen. Sie forderte in ihrer Kolumne für die Zeitung „BAMS“ die Gesellschaft dazu auf, gegen diesen „Hexenwahn“ entschieden aufzustehen. Eine derartige „Hexenverfolgung“ gebe es nach der evangelischen Theologin auch heute noch.

Käßmann nennt ausgewählte Opfer

Hexenwahn
Verbale Pöbeleien im Netz sei neuer Hexenwahn

Zu den Opfern zählt Käßmann die Fernsehmoderatorin Dunja Hayali und die Co-Chefin der Grünen, Ricarda Lang. Während Hayali wegen ihrer als Provokation verstandenen Meinung „bespuckt und beleidigt“ werde, müsse Lang wegen ihrer äußeren Erscheinung Morddrohungen ertragen. Frauen werden in den Sozialen Medien ohnehin öfters massiv angegriffen als Männer, so Käßmann. Sie beruft sich mit ihrer Darstellung u.a. auf den „Welt-Mädchenbericht“ der Hilfsorganisation „Plan International“. Demnach waren in Deutschland im Netz bereits 70 Prozent der Mädchen und jungen Frauen Opfer von Bedrohungen, Beleidigungen und Diskriminierung.

Frauen und Männer müssen dagegen aufstehen, so die Theologin und ehemalige Landesbischöfin von Hannover, „das ist eine neue Art der Hexenverfolgung.“

Das Gleiche wie Verfolgung, Folter und Tod?

Käßmann hebt immerhin hervor, um was es in der Vergangenheit bei der „Hexenverfolgung“ eigentlich ging. Verfolgung, Folter und in der Regel Tod durch Verbrennung. „In der entsetzlichen Hexenverfolgung im Mittelalter konnte jeder eine Frau anschwärzen.“, so die Theologin. Meist handelte es sich dabei um weise Frauen, die Kenntnis von Medizin und Kräuterkunde hatten. Darunter waren auch Hebammen. Die Folter hatte nur den Zweck eines Geständnisse, um die Frauen oder sogar Mädchen „unter dem Gejohle des Volkes“ zu verbrennen.

Wer war Unterstützer der Verfolgungen?

Nur hat Käßmann, wenn sie die verbalen Ausschreitungen schon mit der Hexenverfolgung des Mittelalters gleichsetzt, vergessen, den Urheber dieser unsäglichen Menschenjagt zu erwähnen. Die römisch katholische Kirche. Das ging soweit, bis sogar das Buch „Malleus maleficarum“ (Hexenhammer) veröffentlicht wurde. Der Urheber des in Speyer im Jahr 1486 erstmals gedruckten Werkes war der Dominikaner, Theologe und Inquisitor Heinrich Kramer. Er war schon zuvor in Ravensburg als Hexenverfolger aufgetreten. Die Legitimierung für den „Hexenhammer“ holte sich Kramer von der nur 2 Jahre zuvor ausgestellten apostolischen Bulle „Summis desiderantes affectibus“ von Papst Innozenz IV.

„Es ist eine sehr große Häresie, nicht an das Wirken von Hexen zu glauben“, so eines der im „Hexenhammer“ vertretenen Thesen. Wer nicht den Hexenverfolgungen zustimmte, wurde als Häretiker behandelt und hatte somit ebenfalls den Tod vor Augen wie die verfolgten, unschuldigen Frauen und Mädchen.

Hexenverfolgung nicht einhellig befürwortet

Strafkette
Als Hexen erklärte Frauen kamen früher nur sehr selten mit dem Leben davon

Die Hexenverfolgung war innerhalb der katholischen Kirche nicht unumstritten. Es gab durchaus auch Gegner dieser grausamen Praxis. In der Tat trat die Hexenverfolgung insbesondere in den Regionen auf, in denen die Reformation bereits Fuß fasste. Es reichte einfach aus, den ungeliebten Nachbarn anzuschwärzen, um diesen mit großer Wahrscheinlichkeit für immer von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Die größte Welle der Hexenverfolgung fand in den Jahren 1550 bis 1650 statt.

Die ausführenden Organe waren jedoch insbesondere im „Heiligen Römischen Reich“ stets „kirchlich geleitet“. So führte auch die römisch katholische Kirche die Hinrichtungen nicht selbst aus, sondern urteilte und übergab die Vollstreckung der „öffentlichen Hand“. Mit dieser Argumentation glaubt Rom heute, unbefleckte Hände vorzeigen zu können. „Es waren ja die anderen“. Doch die aufgezeichnete Historie bietet ein ganz anderes Bild.

Ein zu hinterfragendes Phänomen

Der Psychologe Kurt Baschwitz lehnte sich an die Erkenntnisse von Sigmund Freud und formulierte im Jahr 1948, dass nicht die Opfer einer massenpsychologischen Täuschung unterliegen, sondern die Täter. Gemäß dieser Erkenntnis müsste zur heutigen als „Hexenverfolgung“ bezeichneten Situation also hinterfragt werden, wer oder was die vielen „hetzenden Netz-User“ täuschte und vor allem warum. Ob auch die allgemeine Bildung eine gewichtige Rolle spielt?

Käßmann: Verbale Angriffe im Netz sind neuer Hexenwahn
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