Olli Dürr Wirtschaft Merkel verteidigt TTIP: US-Behörden gegen VW-Abgasskandal ein Vorbild

Merkel verteidigt TTIP: US-Behörden gegen VW-Abgasskandal ein Vorbild

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Die Ziele des geheim verhandelten TTIP werden von Industrie und EU- sowie Bundespolitkern mit allen Mitteln verteidigt. Da kann kommen was will und ein VW-Abgasskandal kommt gerade recht. Bundeskanzlerin Angela Merkel will in den Maßstäben der US-Behörden den Beweis erkennen, dass die vorgelebten hohen Standards für die EU nur gut sein können.

Die Politik zeigt keine Scheu vor peinlichen Argumentationen

Blödheit

EU braucht unbedingt US-Standards
Bild: CC0 Universell

Die Befürworter des TTIP (Transatlantisches Handelsabkommen zwischen EU und USA), und somit auch die breiten Medien, instrumentalisierten das berühmte Chlorhühnchen bereits zur Verspottung der „kindischen“ TTIP-Gegner. Es ginge schließlich um die großen Dinge der Wirtschaft und nicht um die lächerlichen Kindereien der Öko-Fetischisten. Das Chlorhühnchen leistet gute Dienste, um die ablehnende Haltung der Mehrheit der deutschen Bevölkerung ins Lächerliche zu ziehen. Dabei wird nur allzu gerne übersehen, dass es sich lediglich um ein Symbol für „Junk-Food“ und niedrige Standards in der US-Industrie handelt.

Ein längst abgedroschenes Thema braucht irgendwann eine Auffrischung. Da kommt der Skandal um die Abgaswerte der VW-Dieselfahrzeuge wohl gerade recht. Der Volkswagenkonzern steht am Pranger und die USA werden in höchsten Tönen gelobt. Ein derart hohes Niveau an Test-Standards für die Abgasuntersuchungen dienten eigentlich als Vorbild. Diese Sicht vertritt zumindest Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Merkel nimmt US-Vorschriften als Vorbild

Merkel erklärte in ihrem unverwechselbaren Stil am Montag in Berlin: „Wir haben am Beispiel von VW ungern gemerkt, dass die Abgasvorschriften in den Vereinigten Staaten von Amerika auch nicht so schlecht sind“. Die Deutsche Wirtschafts Nachrichten (Montag) berichteten darüber. Aus diesem Grund sei die Furcht der Gegner des TTIP vor der Reduzierung der bestehenden Standards für Umwelt- und Verbraucherschutz unbegründet. Und wieder Merkels einmalig pragmatische Rhetorik: „Nichts, was wir heute in Europa haben, wird abgesenkt.“

Für beide Wirtschaftsräume biete sich eine große Chance, die Standards auf bestimmten Gebieten zu definieren. Andere könnten daran „nicht mehr so leicht vorbeikommen“. Es sei ein „Riesenfehler“ wen „wir“ als Europäer „hier blocken und nicht bereit sind“. (Merkel ist Physikerin, nicht Sprachwissenschaftlerin).

VW ist als Konkurrent im US-Gebiet

Wieder einmal setzt man auf das schlechte Erinnerungsvermögen der Bevölkerung und spricht ihr die Fähigkeit ab, Eins und Eins zusammenzuzählen. Für die USA besitzen die wirtschaftlichen Interessen höchsten Stellenwert. Da kommt erst mal lange nichts, bis auch irgendwo „da unten“ der Mensch eine Rolle spielt. Die US-Behörden messen generell mit zweierlei (eigentlich multiblen) Maß. Der Volkswagen Konzern ist ein ernst zu nehmender Konkurrent, der darüber hinaus noch munter auf US-Gebiet operiert. VW ist weltweit extrem erfolgreich und steht permanent mit dem Autohersteller Toyota um die Nummer Eins der Welt im „privaten“ Wettbewerb.

Schon vergessen? Der in Detroit ansässige Autohersteller General Motors (GM) rief weit mehr als 8 Millionen Fahrzeuge aufgrund defekter Zündschlösser zurück. Der Lärm um die Angelegenheit war zwar heftig, aber relativ kurz. Und das obwohl die Fehler bereits im Jahr 2003 entdeckt wurden und bis zum Jahr 2011 die ersten 2,6 Millionen Autos den Weg zurück in die GM-Werkstatt fanden. Die US-Behörden waren darüber informiert.

Die defekten Zündschlösser der GM-Fahrzeuge sprangen während der Fahrt auf die „Aus-Position“. Die Servolenkung, der Bremskraftverstärker fielen aus, beim herum Rudern des Lenkrades schnappte das Lenkradschloss zu und beim finalen Aufprall gegen ein Hindernis reagierten die Airbags aufgrund ihrer „Ruhestellung“ eben nicht mehr. Das Resultat: Über 50 Todesfälle und weit mehr Verletzte.

Zweierlei Maß bei der Be- und Aburteilung der „Verbrechen“

Mutwillige Manipulationen an Abgaswerten sind betrügerisch und keinesfalls zu entschuldigen. Aber wie sieht es mit der Verhältnismäßigkeit aus? Amerikaner neigen gerne zu Übertreibungen, vor allem wenn hohe Entschädigungszahlungen in Aussicht gestellt sind. Sei es nun der bestellte, ordnungsgemäß gelieferte heiße Kaffee, den sich der Kunde im Fast-Food Restaurant selbst über den Schoß kippte, oder die bereits erfolgten Anzeigen von einigen US-Gemeinden gegen VW, weil die tatsächlich höheren Schadstoffwerte zu mehr Todesfällen geführt haben sollen. In Deutschland übertreiben dafür die Medien ganz gerne mit Untergangs- und Armageddon-Szenarien. Der an den Pranger gestellte Volkswagen-Konzern könne die gesamte Export-Wirtschaft Deutschlands in den Abgrund stürzen.

In der Finanz- und Bankenwelt zeigten die US-Behörden ihre Befangenheit ebenfalls sehr eindrucksvoll. Im Zuge der Aburteilung der aufgekommenen Betrügereien so mancher Kreditinstitute standen ebenfalls die unterschiedlichen US-Maßstäbe und Nicht-US-Maßstäbe parat. Platzhirsch JPMorgan erhielt für seine Finanzmarkt-Manipulationen (Hypothekenmarkt) „Strafen“ (eigentlich nur ein außergerichtlicher Vergleich und keine offizielle Strafe) auferlegt, die dem Gewinn eines gut laufenden Monats entsprechen. Um den Schaden von der Bank möglichst gering zu halten, bemühten die US-Behörden ihre Trickkiste mit allem Geschick.

Milliardenstrafe ist steuerlich absetzbar

Die im November 2013 verhängte „Strafzahlung“ in Höhe von 13 Milliarden Dollar sieht auf den ersten Blick richtig satt aus. Zum damaligen Zeitpunkt eine Rekordsumme. JPMorgan hat die Strafe wegen fauler Kreditpapiere im Hypothekenmarkt verdient, so die unmissverständliche Botschaft. Die Rechnung ging ausschließlich an das Unternehmen. Personelle Konsequenzen blieben aus, die verantwortlichen Personen kamen völlig ungeschoren davon. Ein Großteil der „vereinbarten“ Summe floss den finanziell angeschlagenen Hausbesitzern zu, so blieb das Geld wenigstens im unmittelbaren Kreislauf des Hypothekenmarktes. Unterm Strich handelte es sich um eine Umverteilung von Steuergeldern für die Bedienung der offenen Hypotheken. Schließlich einigten sich JPMorgen und die US-Behörden auf die Summe, es war kein juristisches Urteil. Somit kann ein Großteil des Milliardenbetrags von der Großbank als Ausgabe steuerlich geltend gemacht werden.

Ganz anders verhielten sich die US-Behörden im Juni 2014 gegen Frankreichs Großbank BNP Paribas. 9 Milliarden Dollar waren zwar weniger als die 13 Mrd. Dollar von JPMorgan, aber es handelte sich tatsächlich um eine Strafe, inklusiv abgepresstes Schuldeingeständnis. Die Bank habe Geldtransfers ungeachtet der von den USA verhängten Sanktionen durchgeführt. BNP Paribas wurde darüber hinaus gezwungen, mindestens 30 Mitarbeiter auf die Straße zu setzen und für eine vorübergehende Zeit den Handel mit dem US-Dollar auszusetzen. Der Stachel sollte schließlich richtig tief sitzen.

Die Schweizer Bank Credit Suise kann ebenfalls ein Lied von der Willkür der US-Behörden singen. 2,6 Milliarden, inklusive Schuldeingeständnis.

An diesem Punkt wird die Monopolstellung der Wall Street & Co. sehr deutlich. Die USA verhängen einseitig Sanktionen und die „restliche Welt“ hat sich gefälligst daran zu halten. Verstößt eine ausländische Bank gegen die US-Hegemonie, wirkt das Druckmittel, die Bank vom internationalen Finanzmarkt abzunabeln, ungemein. Dazu braucht es lediglich den Entzug der Lizenz, Handel auf US-Boden (Wall Street) zu betreiben. Das Geldhaus wird dadurch vom „Monopol-Geld“ Dollar abgeschnitten und verschwindet von der internationalen Bühne.

VW-Abgasskandal: Perfektes Timing?

Schwer vorstellbar, dass die bis zu 40-fach höheren Abgaswerte durch die VW-Dieselfahrzeuge in den USA erst nach vielen Jahren aufgedeckt wurden. Es liegt näher, dass die US-Behörden dieses Ass im Ärmel für den Einsatz zum passenden Augenblick aufbewahrten. Zieht man die mutwillige Schwächung Europas, mit Deutschland politisch und wirtschaftlich im Mittelpunkt, in Erwägung, so passt der (vermeintliche) Schlag gegen die deutsche Export-Wirtschaft mit der aufkommenden Flüchtlingswelle nahtlos zusammen.

Die Bundeskanzlerin Merkel verteidigt mit ihrer Haltung zum TTIP derlei Maßstäbe und Werte. Wie wichtig sind ihr wohl Menschenleben, wenn die zahlreichen Todesfälle aufgrund defekter Zündschlösser nicht der Rede wert sind? „Nichts, was wir heute in Europa haben, wird abgesenkt.“ .. sondern versenkt.

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